Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 6
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Aber des Koniges Zorn entbrannte heftig, er draute
Dem Verrater den Tod ohn alle Gnade. Da lie? er
Seine Rate versammeln; es kamen seine Baronen,
Seine Weisen zu ihm, er fragte: wie man den Frevler
Endlich brachte zu Recht, der schon so vieles verschuldet?
Als nun viele Beschwerden sich uber Reineken hauften,
Redete Grimbart, der Dachs: Es mogen in diesem Gerichte
Viele Herren auch sein, die Reineken Ubels gedenken,
Doch wird niemand die Rechte des freien Mannes verletzen.
Nun zum drittenmal mu? man ihn fordern. Ist dieses geschehen,
Kommt er dann nicht, so moge das Recht ihn schuldig erkennen.
Da versetzte der Konig: Ich furchte, keiner von allen
Ginge, dem tuckischen Manne die dritte Ladung zu bringen.
Wer hat ein Auge zu viel? wer mag verwegen genug sein,
Leib und Leben zu wagen um diesen bosen Verrater?
Seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen und dennoch am Ende
Reineken nicht zu stellen? Ich denke, niemand versucht es.
Uberlaut versetzte der Dachs: Herr Konig, begehret
Ihr es von mir, so will ich sogleich die Botschaft verrichten,
Sei es, wie es auch sei. Wollt Ihr mich offentlich senden,
Oder geh ich, als kam ich von selber? Ihr durft nur befehlen.
Da beschied ihn der Konig: So geht dann! Alle die Klagen
Habt Ihr samtlich gehort, und geht nur weislich zu Werke
Denn es ist ein gefahrlicher Mann. Und Grimbart versetzte:
Einmal mu? ich es wagen und hoff ihn dennoch zu bringen.
So betrat er den Weg nach Malepartus, der Feste;
Reineken fand er daselbst mit Weib und Kindern und sagte:
Oheim Reineke, seid mir gegru?t! Ihr seid ein gelehrter,
Weiser, kluger Mann, wir mussen uns alle verwundern,
Wie Ihr des Konigs Ladung verachtet, ich sage, verspottet,
Deucht Euch nicht, es ware nun Zeit? Es mehren sich immer
Klagen und bose Geruchte von allen Seiten. Ich rat Euch,
Kommt nach Hofe mit mir, es hilft kein langeres Zaudern.
Viele, viele Beschwerden sind vor den Konig gekommen,
Heute werdet Ihr nun zum dritten Male geladen;
Stellt Ihr Euch nicht, so seid Ihr verurteilt. Dann fuhret der Konig
Seine Vasallen hieher, Euch einzuschlie?en, in dieser
Feste Malepartus Euch zu belagern; so gehet
Ihr mit Weib und Kindern und Gut und Leben zugrunde.
Ihr entfliehet dem Konige nicht; drum ist es am besten,
Kommt nach Hofe mit mir! Es wird an listiger Wendung
Euch nicht fehlen, Ihr habt sie bereit und werdet Euch retten;
Denn Ihr habt ja wohl oft, auch an gerichtlichen Tagen,
Abenteuer bestanden, weit gro?er als dieses, und immer
Kamt Ihr glucklich davon und Eure Gegner in Schande.
Grimbart hatte gesprochen, und Reineke sagte dagegen:
Oheim, Ihr ratet mir wohl, da? ich zu Hofe mich stelle,
Meines Rechtes selber zu wahren. Ich hoffe, der Konig
Wird mir Gnade gewahren; er wei?, wie sehr ich ihm nutze;
Aber er wei? auch, wie sehr ich deshalb den andern verha?t bin.
Ohne mich kann der Hof nicht bestehn. Und hatt ich noch zehnmal
Mehr verbrochen, so wei? ich es schon: sobald mirs gelinget,
Ihm in die Augen zu sehen und ihn zu sprechen, so fuhlt er
Seinen Zorn im Busen bezwungen. Denn freilich begleiten
Viele den Konig und kommen in seinem Rate zu sitzen;
Aber es geht ihm niemal zu Herzen; sie finden zusammen
Weder Rat noch Sinn. Doch bleibet an jeglichem Hofe,
Wo ich immer auch sei, der Ratschlu? meinem Verstande.
Denn versammeln sich Konig und Herren, in kitzlichen Sachen
Klugen Rat zu ersinnen, so mu? ihn Reineken finden.
Das mi?gonnen mir viele. Die hab ich leider zu furchten,
Denn sie haben den Tod mir geschworen, und grade die Schlimmsten
Sind am Hofe versammelt, das macht mich eben bekummert.
Uber zehen und Machtige sinds, wie kann ich alleine
Vielen widerstehn? Drum hab ich immer gezaudert.
Gleichwohl find ich es besser, mit Euch nach Hofe zu wandeln,
Meine Sache zu wahren; das soll mehr Ehre mir bringen,
Als durch Zaudern mein Weib und meine Kinder in Angsten
Und Gefahren zu sturzen; wir waren alle verloren.
Denn der Konig ist mir zu machtig, und was es auch ware,
Mu?t ich tun, sobald ers befiehlt. Wir konnen versuchen,
Gute Vertrage vielleicht mit unsern Feinden zu schlie?en.
Reineke sagte darnach: Frau Ermelyn, nehmet der Kinder
(Ich empfehl es Euch) wahr, vor allen andern des jungsten,
Reinharts; es stehn ihm die Zahne so artig ums Maulchen, ich hoff, er
Wird der leibhaftige Vater; und hier ist Rossel, das Schelmchen,
Der mir ebenso lieb ist. O! tut den Kindern zusammen
Etwas zu gut, indes ich weg bin! Ich wills Euch gedenken,
Kehr ich glucklich zuruck und Ihr gehorchet den Worten.
Also schied er von dannen mit Grimbart, seinem Begleiter,
Lie? Frau Ermelyn dort mit beiden Sohnen und eilte;
Unberaten lie? er sein Haus; das schmerzte die Fuchsin.
Beide waren noch nicht ein Stundchen Weges gegangen,
Als zu Grimbart Reineke sprach: Mein teuerster Oheim,
Wertester Freund, ich mu? Euch gestehn, ich bebe vor Sorgen.
Ich entschlage mich nicht des angstlichen, bangen Gedankens,
Da? ich wirklich dem Tod entgegensehe. Da seh ich
Meine Sunden vor mir, so viel ich deren begangen.
Ach! Ihr glaubet mir nicht die Unruh, die ich empfinde.
La?t mich beichten! horet mich an! kein anderer Pater
Ist in der Nahe zu finden; und hab ich alles vom Herzen,
Werd ich nicht schlimmer darum vor meinem Konige stehen.
Grimbart sagte: Verredet zuerst das Rauben und Stehlen,
Allen bosen Verrat und andre gewohnliche Tucken,
Sonst kann Euch die Beichte nicht helfen. Ich wei? es, versetzte
Reineke: darum la?t mich beginnen und horet bedachtig.
Confiteor tibi Pater et Mater , da? ich der Otter,
Da? ich dem Kater und manchen gar manche Tucke versetzte,
Ich bekenn es und lasse mir gern die Bu?e gefallen.
Redet Deutsch, versetzte der Dachs, damit ichs verstehe.
Reineke sagte: Ich habe mich freilich, wie sollt ich es leugnen!
Gegen alle Tiere, die jetzo leben, versundigt.
Meinen Oheim, den Baren, den hielt ich im Baume gefangen;
Blutig ward ihm sein Haupt, und viele Prugel ertrug er.
Hinzen fuhrt ich nach Mausen; allein am Stricke gehalten
Mu?t er vieles erdulden und hat sein Auge verloren.
Und so klaget auch Henning mit Recht, ich raubt ihm die Kinder,
Gro? und kleine, wie ich sie fand, und lie? sie mir schmecken.
Selbst verschont ich des Koniges nicht, und mancherlei Tucken
Ubt ich kuhnlich an ihm und an der Konigin selber;
Spat verwindet sies nur. Und weiter mu? ich bekennen:
Isegrim hab ich, den Wolf, mit allem Flei?e geschandet;
Alles zu sagen, fand ich nicht Zeit. So hab ich ihn immer
Scherzend Oheim genannt, und wir sind keine Verwandte.
Einmal, es werden nun bald sechs Jahre, kam er nach Elkmar
Zu mir ins Kloster, ich wohnte daselbst, und bat mich um Beistand,
Weil er eben ein Monch zu werden gedachte. Das, meint' er,
War ein Handwerk fur ihn, und zog die Glocke. Das Lauten
Freut' ihn so sehr! Ich band ihm darauf die vorderen Fu?e
Mit dem Seile zusammen, er war es zufrieden und stand so,
Zog und erlustigte sich und schien das Lauten zu lernen.
Doch es sollt ihm die Kunst zu schlechter Ehre gedeihen,
Denn er lautete zu wie toll und torig. Die Leute
Liefen eilig besturzt aus allen Stra?en zusammen,
Denn sie glaubten, es sei ein gro?es Ungluck begegnet;
Kamen und fanden ihn da, und eh er sich eben erklarte,
Da? er den geistlichen Stand ergreifen wolle, so war er
Von der dringenden Menge beinah zu Tode geschlagen.
Dennoch beharrte der Tor auf seinem Vorsatz und bat mich,
Da? ich ihm sollte mit Ehren zu einer Platte verhelfen;
Und ich lie? ihm das Haar auf seinem Scheitel versengen,
Da? die Schwarte davon zusammenschrumpfte. So hab ich
Oft ihm Prugel und Sto?e mit vieler Schande bereitet.
Fische lehrt ich ihn fangen, sie sind ihm ubel bekommen.
Einmal folgt' er mir auch im Julicher Lande, wir schlichen
Zu der Wohnung des Pfaffen, des reichsten in dortiger Gegend.
Einen Speicher hatte der Mann mit kostlichen Schinken,
Lange Seiten des zartesten Specks verwahrt' er daneben,
Und ein frisch gesalzenes Fleisch befand sich im Troge.
Durch die steinerne Mauer gelang es Isegrim endlich,
Eine Spalte zu kratzen, die ihn gemachlich hindurchlie?,
Und ich trieb ihn dazu, es trieb ihn seine Begierde.
Aber da konnt er sich nicht im Uberflusse bezwingen,
Uberma?ig fullt' er sich an; da hemmte gewaltig
Den geschwollenen Leib und seine Ruckkehr die Spalte.
Ach, wie klagt' er sie an, die ungetreue, sie lie? ihn
Hungrig hinein und wollte dem Satten die Ruckkehr verwehren.
Und ich machte darauf ein gro?es Larmen im Dorfe,
Da? ich die Menschen erregte, die Spuren des Wolfes zu finden.
Denn ich lief in die Wohnung des Pfaffen und traf ihn beim Essen,
Und ein fetter Kapaun ward eben vor ihn getragen,
Wohlgebraten; ich schnappte darnach und trug ihn von dannen.
Hastig wollte der Pfaffe mir nach und larmte, da stie? er
Uber den Haufen den Tisch mit Speisen und allem Getranke.
Schlaget, werfet, fanget und stechet! so rief der ergrimmte
Pater und fiel und kuhlte den Zorn (er hatte die Pfutze
Nicht gesehen) und lag. Und alle kamen und schrien:
Schlagt! ich rannte davon und hinter mir alle zusammen,
Die mir das Schlimmste gedachten. Am meisten larmte der Pfaffe:
Welch ein verwegener Dieb! Er nahm das Huhn mir vom Tische!
Und so lief ich voraus, bis zu dem Speicher, da lie? ich
Wider Willen das Huhn zur Erde fallen, es ward mir
Endlich leider zu schwer; und so verlor mich die Menge.
Aber sie fanden das Huhn, und da der Pater es aufhub,
Ward er des Wolfes im Speicher gewahr, es sah ihn der Haufen.
Allen rief der Pater nun zu: Hierher nur! und trefft ihn!
Uns ist ein anderer Dieb, ein Wolf, in die Hande gefallen,
Kam er davon, wir waren beschimpft; es lachte wahrhaftig
Alles auf unsere Kosten im ganzen Julicher Lande.
Was er nur konnte, dachte der Wolf. Da regnet' es Schlage
Hierher und dorther ihm uber den Leib und schmerzliche Wunden.
Alle schrien, so laut sie konnten; die ubrigen Bauern
Liefen zusammen und streckten fur tot ihn zur Erde darnieder.
Gro?eres Weh geschah ihm noch nie, solang er auch lebte.
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