Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 5
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Dritter Gesang
Nun war Hinze, der Kater, ein Stuckchen Weges gegangen;
Einen Martins-Vogel erblickt' er von weitem, da rief er:
Edler Vogel! Gluck auf. o wende die Flugel und fliege
Her zu meiner Rechten! Es flog der Vogel und setzte
Sich zur Linken des Katers, auf einem Baume zu singen.
Hinze betrubte sich sehr, er glaubte sein Ungluck zu horen,
Doch er machte nun selber sich Mut, wie mehrere pflegen.
Immer wandert' er fort nach Malepartus, da fand er
Vor dem Hause Reineken sitzen, er gru?t' ihn und sagte:
Gott, der reiche, der gute, bescher Euch glucklichen Abend!
Euer Leben bedrohet der Konig, wofern Ihr Euch weigert,
Mit nach Hofe zu kommen; und ferner la?t er Euch sagen:
Stehet den Klagern zu Recht, sonst werdens die Eurigen bu?en.
Reineke sprach: Willkommen dahier, geliebtester Neffe!
Moget Ihr Segen von Gott nach meinem Wunsche genie?en.
Aber er dachte nicht so in seinem verratrischen Herzen;
Neue Tucke sann er sich aus, er wollte den Boten
Wieder geschandet nach Hofe senden. Er nannte den Kater
Immer seinen Neffen und sagte: Neffe, was setzt man
Euch fur Speise nur vor? Man schlaft gesattiget besser;
Einmal bin ich der Wirt, wir gingen dann morgen am Tage
Beide nach Hofe: so dunkt es mich gut. Von meinen Verwandten
Ist mir keiner bekannt, auf den ich mich lieber verlie?e.
Denn der gefra?ige Bar war trotzig zu mir gekommen.
Er ist grimmig und stark, da? ich um vieles nicht hatte
Ihm zur Seite die Reise gewagt. Nun aber versteht sichs,
Gerne geh ich mit Euch. Wir machen uns fruhe des Morgens
Auf den Weg: so scheinet es mir das beste geraten.
Hinze versetzte darauf. Es ware besser, wir machten
Gleich uns fort nach Hofe, so wie wir gehen und stehen.
Auf der Heide scheinet der Mond, die Wege sind trocken.
Reineke sprach: Ich finde bei Nacht das Reisen gefahrlich,
Mancher gru?et uns freundlich bei Tage, doch kam er im Finstern
Uns in den Weg, es mochte wohl kaum zum besten geraten.
Aber Hinze versetzte: So la?t mich wissen, mein Neffe,
Bleib ich hier, was sollen wir essen? Und Reineke sagte:
Armlich behelfen wir uns; doch wenn Ihr bleibet, so bring ich
Frische Honigscheiben hervor, ich wahle die klarsten.
Niemals e? ich dergleichen, versetzte murrend der Kater:
Fehlet Euch alles im Hause, so gebt eine Maus her! Mit dieser
Bin ich am besten versorgt, und sparet das Honig fur andre.
E?t Ihr Mause so gern? sprach Reineke: redet mir ernstlich;
Damit kann ich Euch dienen. Es hat mein Nachbar, der Pfaffe,
Eine Scheun im Hofe, darin sind Mause, man fuhre
Sie auf keinem Wagen hinweg: ich hore den Pfaffen
Klagen, da? sie bei Nacht und Tag ihm lastiger werden.
Unbedachtig sagte der Kater: Tut mir die Liebe,
Bringet mich hin zu den Mausen! denn uber Wildbret und alles
Lob ich mir Mause, die schmecken am besten. Und Reineke sagte:
Nun wahrhaftig, Ihr sollt mir ein herrliches Gastmahl genie?en.
Da mir bekannt ist, womit ich Euch diene, so la?t uns nicht zaudern.
Hinze glaubt' ihm und folgte; sie kamen zur Scheune des Pfaffen,
Zu der lehmernen Wand. Die hatte Reineke gestern
Klug durchgraben und hatte durchs Loch dem schlafenden Pfaffen
Seiner Hahne den besten entwendet. Das wollte Martinchen
Rachen, des geistlichen Herrn geliebtes Sohnchen; er knupfte
Klug vor die Offnung den Strick mit einer Schlinge; so hofft' er
Seinen Hahn zu rachen am wiederkehrenden Diebe.
Reineke wu?t und merkte sich das und sagte: Geliebter
Neffe, kriechet hinein gerade zur Offnung; ich halte
Wache davor, indessen Ihr mauset; Ihr werdet zu Haufen
Sie im Dunkeln erhaschen. O horet, wie munter sie pfeifen!
Seid Ihr satt, so kommt nur zuruck, Ihr findet mich wieder.
Trennen durfen wir nicht uns diesen Abend, denn morgen
Gehen wir fruh und kurzen den Weg mit muntern Gesprachen.
Glaubt Ihr, sagte der Kater, es sei hier sicher zu kriechen?
Denn es haben mitunter die Pfaffen auch Boses im Sinne.
Da versetzte der Fuchs, der Schelm: Wer konnte das wissen!
Seid Ihr so blode? Wir gehen zuruck: es soll Euch mein Weibchen
Gut und mit Ehren empfangen, ein schmackhaft Essen bereiten;
Wenn es auch Mause nicht sind, so la?t es uns frohlich verzehren.
Aber Hinze, der Kater, sprang in die Offnung, er schamte
Sich vor Reinekens spottenden Worten, und fiel in die Schlinge.
Also empfanden Reinekens Gaste die bose Bewirtung.
Da nun Hinze den Strick an seinem Halse verspurte,
Fuhr er angstlich zusammen und ubereilte sich furchtsam,
Denn er sprang mit Gewalt: da zog der Strick sich zusammen.
Klaglich rief er Reineken zu, der au?er dem Loche
Horchte, sich hamisch erfreute und so zur Offnung hineinsprach:
Hinze, wie schmecken die Mause? Ihr findet sie, glaub ich, gemastet.
Wu?te Martinchen doch nur, da? Ihr sein Wildbret verzehret;
Sicher bracht er Euch Senf: er ist ein hoflicher Knabe.
Singet man so bei Hofe zum Essen? Es klingt mir bedenklich.
Wu?t ich Isegrim nur in diesem Loche, so wie ich
Euch zu Falle gebracht, er sollte mir alles bezahlen,
Was er mir Ubels getan! Und so ging Reineke weiter.
Aber er ging nicht allein, um Diebereien zu uben;
Ehbruch, Rauben und Mord und Verrat, er hielt es nicht sundlich.
Und er hatte sich eben was ausgesonnen. Die schone
Gieremund wollt er besuchen, in doppelter Absicht: furs erste
Hofft er von ihr zu erfahren, was eigentlich Isegrim klagte;
Zweitens wollte der Schalk die alten Sunden erneuern.
Isegrim war nach Hofe gegangen, das wollt er benutzen.
Denn wer zweifelt daran, es hatte die Neigung der Wolfin
Zu dem schandlichen Fuchse den Zorn des Wolfes entzundet.
Reineke trat in die Wohnung der Frauen und fand sie nicht heimisch.
Gru? euch Gott! Stiefkinderchen! sagt' er, nicht mehr und nicht minder,
Nickte freundlich den Kleinen und eilte nach seinem Gewerbe.
Als Frau Gieremund kam des Morgens, wie es nur tagte,
Sprach sie: Ist niemand kommen, nach mir zu fragen? Soeben
Geht Herr Pate Reineke fort, er wunscht' Euch zu sprechen.
Alle, wie wir hier sind, hat er Stiefkinder gehei?en.
Da rief Gieremund aus: Er soll es bezahlen! und eilte,
Diesen Frevel zu rachen zur selben Stunde. Sie wu?te,
Wo er pflegte zu gehn; sie erreicht' ihn, zornig begann sie:
Was fur Worte sind das? und was fur schimpfliche Reden
Habt Ihr ohne Gewissen vor meinen Kindern gesprochen?
Bu?en sollt Ihr dafur! So sprach sie zornig und zeigt' ihm
Ein ergrimmtes Gesicht; sie fa?t' ihn am Barte, da fuhlt' er
Ihrer Zahne Gewalt und lief und wollt ihr entweichen;
Sie behend strich hinter ihm drein. Da gab es Geschichten -
Ein verfallenes Schlo? war in der Nahe gelegen,
Hastig liefen die beiden hinein; es hatte sich aber
Altershalben die Mauer in einem Turme gespalten.
Reineke schlupfte hindurch; allein er mu?te sich zwangen,
Denn die Spalte war eng; und eilig steckte die Wolfin,
Gro? und stark, wie sie war, den Kopf in die Spalte; sie drangte,
Schob und brach und zog und wollte folgen, und immer
Klemmte sie tiefer sich ein und konnte nicht vorwarts noch ruckwarts.
Da das Reineke sah, lief er zur anderen Seite
Krummen Weges herein und kam und macht' ihr zu schaffen.
Aber sie lie? es an Worten nicht fehlen, sie schalt ihn: Du handelst
Als ein Schelm! ein Dieb! Und Reineke sagte dagegen:
Ist es noch niemals geschehn, so mag es jetzo geschehen.
Wenig Ehre verschafft es, sein Weib mit andern zu sparen,
Wie nun Reineke tat. Gleichviel war alles dem Bosen.
Da nun endlich die Wolfin sich aus der Spalte gerettet,
War schon Reineke weg und seine Stra?e gegangen.
Und so dachte die Frau, sich selber Recht zu verschaffen,
Ihrer Ehre zu wahren, und doppelt war sie verloren.
Lasset uns aber zuruck nach Hinzen sehen. Der Arme,
Da er gefangen sich fuhlte, beklagte nach Weise der Kater
Sich erbarmlich: das horte Martinchen und sprang aus dem Bette.
Gott sei Dank! Ich habe den Strick zur glucklichen Stunde
Vor die Offnung geknupft; der Dieb ist gefangen! Ich denke,
Wohl bezahlen soll er den Hahn! So jauchzte Martinchen.
Zundete hurtig ein Licht an (im Hause schliefen die Leute),
Weckte Vater und Mutter darauf und alles Gesinde,
Rief: Der Fuchs ist gefangen! wir wollen ihm dienen. Sie kamen
Alle, gro? und klein, ja selbst der Pater erhub sich,
Warf ein Mantelchen um; es lief mit doppelten Lichtern
Seine Kochin voran, und eilig hatte Martinchen
Einen Knuttel gefa?t und machte sich uber den Kater,
Traf ihm Haut und Haupt und schlug ihm grimmig ein Aug aus.
Alle schlugen auf ihn; es kam mit zackiger Gabel
Hastig der Pater herbei und glaubte den Rauber zu fallen.
Hinze dachte zu sterben; da sprang er wutend entschlossen
Zwischen die Schenkel des Pfaffen und bi? und kratzte gefahrlich,
Schandete grimmig den Mann und rachte grausam das Auge.
Schreiend sturzte der Pater und fiel ohnmachtig zur Erden.
Unbedachtsam schimpfte die Kochin: es habe der Teufel
Ihr zum Possen das Spiel selbst angerichtet. Und doppelt,
Dreifach schwur sie: wie gern verlore sie, ware das Ungluck
Nicht dem Herren begegnet, ihr bi?chen Habe zusammen.
Ja, sie schwur: ein Schatz von Golde, wenn sie ihn hatte,
Sollte sie wahrlich nicht reuen, sie wollt ihn missen. So jammert'
Sie die Schande des Herrn und seine schwere Verwundung.
Endlich brachten sie ihn mit vielen Klagen zu Bette,
Lie?en Hinzen am Strick und hatten seiner vergessen.
Als nun Hinze, der Kater, in seiner Not sich allein sah,
Schmerzlich geschlagen und ubel verwundet, so nahe dem Tode,
Fa?t' er aus Liebe zum Leben den Strick und nagt' ihn behende.
Sollt ich mich etwa erlosen vom gro?en Ubel? so dacht er.
Und es gelang ihm, der Strick zerri?. Wie fand er sich glucklich!
Eilte, dem Ort zu entfliehn, wo er so vieles erduldet;
Hastig sprang er zum Loche heraus und eilte die Stra?e
Nach des Koniges Hof, den er des Morgens erreichte.
Argerlich schalt er sich selbst: So mu?te dennoch der Teufel
Dich durch Reinekens List, des bosen Verraters, bezwingen!
Kommst du doch mit Schande zuruck, am Auge geblendet
Und mit Schlagen schmerzlich beladen, wie mu?t du dich schamen!
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