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Iphigenie auf Tauris - Goethe Johann Wolfgang - Страница 12


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Funfter Aufzug

Erster Auftritt

Thoas. Arkas.

Arkas :

Verwirrt mu? ich gestehn, da? ich nicht wei?,

Wohin ich meinen Argwohn richten soll.

Sind's die Gefangnen, die auf ihre Flucht

Verstohlen sinnen? Ist's die Priesterin,

Die ihnen hilft? Es mehrt sich das Gerucht:

Das Schiff, das diese beiden hergebracht,

Sei irgend noch in einer Bucht versteckt.

Und jenes Mannes Wahnsinn, diese Weihe,

Der heil'ge Vorwand dieser Zogrung, rufen

Den Argwohn lauter und die Vorsicht auf.

Thoas:

Es komme schnell die Priesterin herbei!

Dann geht, durchsucht das Ufer scharf und schnell

Vom Vorgebirge bis zum Hain der Gottin.

Verschonet seine heil'gen Tiefen, legt

Bedacht'gen Hinterhalt und greift sie an;

Wo ihr sie findet, fa?t sie, wie ihr pflegt!

Zweiter Auftritt

Thoas allein :

Entsetzlich wechselt mir der Grimm im Busen:

Erst gegen sie, die ich so heilig hielt,

Dann gegen mich, der ich sie zum Verrat

Durch Nachsicht und durch Gute bildete.

Zur Sklaverei gewohnt der Mensch sich gut

Und lernet leicht gehorchen, wenn man ihn

Der Freiheit ganz beraubt. Ja, ware sie

In meiner Ahnherrn rohe Hand gefallen

Und hatte sie der heil'ge Grimm verschont:

Sie ware froh gewesen, sich allein

Zu retten, hatte dankbar ihr Geschick

Erkannt und fremdes Blut vor dem Altar

Vergossen, hatte Pflicht genannt,

Was Not war. Nun lockt meine Gute

In ihrer Brust verwegnen Wunsch herauf.

Vergebens hofft ich, sie mir zu verbinden;

Sie sinnt sich nun ein eigen Schicksal aus.

Durch Schmeichelei gewann sie mir das Herz:

Nun widersteh ich der, so sucht sie sich

Den Weg durch List und Trug, und meine Gute

Scheint ihr ein alt verjahrtes Eigentum.

Dritter Auftritt

Iphigenie. Thoas.

Iphigenie:

Du forderst mich! Was bringt dich zu uns her?

Thoas:

Du schiebst das Opfer auf; sag an, warum?

Iphigenie:

Ich hab an Arkas alles klar erzahlt.

Thoas:

Von dir mocht ich es weiter noch vernehmen.

Iphigenie:

Die Gottin gibt dir Frist zur Uberlegung.

Thoas:

Sie scheint dir selbst gelegen, diese Frist.

Iphigenie:

Wenn dir das Herz zum grausamen Entschlu?

Verhartet ist, so solltest du nicht kommen!

Ein Konig, der Unmenschliches verlangt,

Findt Diener gnug, die gegen Gnad und Lohn

Den halben Fluch der Tat begierig fassen;

Doch seine Gegenwart bleibt unbefleckt.

Er sinnt den Tod in einer schweren Wolke,

Und seine Boten bringen flammendes

Verderben auf des Armen Haupt hinab;

Er aber schwebt durch seine Hohen ruhig,

Ein unerreichter Gott, im Sturme fort.

Thoas:

Die heil'ge Lippe tont ein wildes Lied.

Iphigenie:

Nicht Priesterin! nur Agamemnons Tochter.

Der Unbekannten Wort verehrtest du,

Der Furstin willst du rasch gebieten? Nein!

Von Jugend auf hab ich gelernt gehorchen,

Erst meinen Eltern und dann einer Gottheit,

Und folgsam fuhlt ich immer meine Seele

Am schonsten frei; allein dem harten Worte,

Dem rauhen Ausspruch eines Mannes mich

Zu fugen, lernt ich weder dort noch hier.

Thoas:

Ein alt Gesetz, nicht ich, gebietet dir.

Iphigenie:

Wir fassen ein Gesetz begierig an,

Das unsrer Leidenschaft zur Waffe dient.

Ein andres spricht zu mir, ein alteres,

Mich dir zu widersetzen: das Gebot,

Dem jeder Fremde heilig ist.

Thoas:

Es scheinen die Gefangnen dir sehr nah

Am Herzen, denn vor Anteil und Bewegung

Vergissest du der Klugheit erstes Wort,

Da? man den Machtigen nicht reizen soll.

Iphigenie:

Red oder schweig ich, immer kannst du wissen,

Was mir im Herzen ist und immer bleibt.

Lost die Erinnerung des gleichen Schicksals

Nicht ein verschlo?nes Herz zum Mitleid auf?

Wie mehr denn meins! In ihnen seh ich mich.

Ich habe vorm Altare selbst gezittert,

Und feierlich umgab der fruhe Tod

Die Knieende; das Messer zuckte schon,

Den lebenvollen Busen zu durchbohren;

Mein Innerstes entsetzte wirbelnd sich,

Mein Auge brach, und — ich fand mich gerettet.

Sind wir, was Gotter gnadig uns gewahrt,

Unglucklichen nicht zu erstatten schuldig?

Du wei?t es, kennst mich, und du willst mich zwingen!

Thoas:

Gehorche deinem Dienste, nicht dem Herrn!

Iphigenie:

La? ab! Beschonige nicht die Gewalt,

Die sich der Schwachheit eines Weibes freut.

Ich bin so frei geboren als ein Mann.

Stund Agamemnons Sohn dir gegenuber

Und du verlangtest, was sich nicht gebuhrt,

So hat auch er ein Schwert und einen Arm,

Die Rechte seines Busens zu verteid'gen.

Ich habe nichts als Worte, und es ziemt

Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.

Thoas:

Ich acht es mehr als eines Bruders Schwert.

Iphigenie:

Das Los der Waffen wechselt hin und her:

Kein kluger Streiter halt den Feind gering.

Auch ohne Hulfe gegen Trutz und Harte

Hat die Natur den Schwachen nicht gelassen.

Sie gab zur List ihm Freude, lehrt' ihn Kunste:

Bald weicht er aus, verspatet und umgeht.

Ja, der Gewaltige verdient, da? man sie ubt.

Thoas:

Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen.

Iphigenie:

Und eine reine Seele braucht sie nicht.

Thoas:

Sprich unbehutsam nicht dein eigen Urteil!

Iphigenie:

O sahest du, wie meine Seele kampft,

Ein bos Geschick, das sie ergreifen will,

Im ersten Anfall mutig abzutreiben!

So steh ich denn hier wehrlos gegen dich?

Die schone Bitte, den anmut'gen Zweig,

In einer Frauen Hand gewaltiger

Als Schwert und Waffe, sto?est du zuruck:

Was bleibt mir nun, mein Innres zu verteid'gen?

Ruf ich die Gottin um ein Wunder an?

Ist keine Kraft in meiner Seele Tiefen?

Thoas:

Es scheint, der beiden Fremden Schicksal macht

Unma?ig dich besorgt. Wer sind sie, sprich,

Fur die dein Geist gewaltig sich erhebt?

Iphigenie:

Sie sind — sie scheinen — fur Griechen halt ich sie.

Thoas:

Landsleute sind es? und sie haben wohl

Der Ruckkehr schones Bild in dir erneut?

Iphigenie nach einigem Stillschweigen:

Hat denn zur unerhorten Tat der Mann

Allein das Recht? Druckt denn Unmogliches

Nur er an die gewalt'ge Heldenbrust?

Was nennt man gro?? Was hebt die Seele schaudernd

Dem immer wiederholenden Erzahler,

Als was mit unwahrscheinlichem Erfolg

Der Mutigste begann? Der in der Nacht

Allein das Heer des Feindes uberschleicht,

Wie unversehen eine Flamme wutend

Die Schlafenden, Erwachenden ergreift,

Zuletzt, gedrangt von den Ermunterten,

Auf Feindes Pferden doch mit Beute kehrt,

Wird der allein gepriesen? der allein,

Der, einen sichern Weg verachtend, kuhn

Gebirg und Walder durchzustreifen geht,

Da? er von Raubern eine Gegend saubre?

Ist uns nichts ubrig? Mu? ein zartes Weib

Sich ihres angebornen Rechts entau?ern,

Wild gegen Wilde sein, wie Amazonen

Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute

Die Unterdruckung rachen? Auf und ab

Steigt in der Brust ein kuhnes Unternehmen:

Ich werde gro?em Vorwurf nicht entgehn

Noch schwerem Ubel, wenn es mir mi?lingt;

Allein euch leg ich's auf die Kniee! Wenn

Ihr wahrhaft seid, wie ihr gepriesen werdet,

So zeigt's durch euern Beistand und verherrlicht

Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm, o Konig,

Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet:

Vergebens fragst du den Gefangnen nach;

Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde,

Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf.

Der altste, den das Ubel hier ergriffen

Und nun verlassen hat — es ist Orest,

Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter,

Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades.

Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer

Mit gottlichen Befehlen zu, das Bild

Dianens wegzurauben und zu ihm

Die Schwester hinzubringen, und dafur

Verspricht er dem von Furien Verfolgten,

Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung.

Uns beide hab ich nun, die Uberbliebnen

Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt:

Verdirb uns — wenn du darfst.

Thoas :

Du glaubst, es hore

Der rohe Skythe, der Barbar, die Stimme

Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus,

Der Grieche, nicht vernahm?

Iphigenie:

Es hort sie jeder,

Geboren unter jedem Himmel, dem

Des Lebens Quelle durch den Busen rein

Und ungehindert flie?t. — Was sinnst du mir,

O Konig, schweigend in der tiefen Seele?

Ist es Verderben? so tote mich zuerst!

Denn nun empfind ich, da uns keine Rettung

Mehr ubrigbleibt, die gra?liche Gefahr,

Worein ich die Geliebten ubereilt

Vorsatzlich sturzte. Weh! Ich werde sie

Gebunden vor mir sehn! Mit welchen Blicken

Kann ich von meinem Bruder Abschied nehmen,

Den ich ermorde? Nimmer kann ich ihm

Mehr in die vielgeliebten Augen schaun!

Thoas:

So haben die Betruger kunstlich dichtend

Der lang Verschlo?nen, ihre Wunsche leicht

Und willig Glaubenden ein solch Gespinst

Ums Haupt geworfen!

Iphigenie:

Nein! o Konig, nein!

Ich konnte hintergangen werden; diese

Sind treu und wahr. Wirst du sie anders finden,

So la? sie fallen und versto?e mich,

Verbanne mich zur Strafe meiner Torheit

An einer Klippeninsel traurig Ufer.

Ist aber dieser Mann der lang erflehte

Geliebte Bruder, so entla? uns, sei

Auch den Geschwistern wie der Schwester freundlich!

Mein Vater fiel durch seiner Frauen Schuld

Und sie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung

Von Atreus' Stamme ruht auf ihm allein.

La? mich mit reinem Herzen, reiner Hand

Hinubergehn und unser Haus entsuhnen.

Du haltst mir Wort! — Wenn zu den Meinen je

Mir Ruckkehr zubereitet ware, schwurst

Du, mich zu lassen; und sie ist es nun.

Ein Konig sagt nicht, wie gemeine Menschen,

Verlegen zu, da? er den Bittenden

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