Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander - Страница 57
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Herrick erwog seine Moglichkeiten. Zuruck nach Malta? Das war bei gunstigstem Wind vierhundert Meilen entfernt, und bei Tageslicht wurden die Franzosen ihn bald gefunden haben. Also den gegenwartigen Kurs beibehalten? Dann bestand immerhin die Chance, da? der Feind von herbeigeeilter Verstarkung in ein Gefecht verwickelt wurde oder da? sie ihm im Schutz der Nacht entkommen konnten.
«Wir drehen uber Nacht bei, Kapitan Dewar«, sagte er.
Er wandte sich zum westlichen Horizont, wo der Sonnenuntergang bereits in dunklem Rot gluhte, und bemerkte einen nervosen Leutnant aus Laforeys Stab in seiner Nahe. Der Mann sagte schuchtern:»Mein Admiral wei? nicht, wo er bleiben soll, seit das Schiff klar zum Gefecht gemacht hat.»
Herrick verkniff sich eine unhofliche Entgegnung. Zu viele Ohren horten mit. Ruhig erwiderte er:»Tut mir au?erordentlich leid, aber unter dieser Unannehmlichkeit haben wir alle zu leiden.»
Eine helle Stimme schrillte vom Gro?mars herab:»An Deck! Zwei Linienschiffe im Westen! Sie fuhren die franzosische Flagge, Sir!»
Herrick musterte rasch sein Deck. Alle Geschutze bemannt, die drei Divisionen bereit, an ihren Masten Segel zu kurzen oder zu setzen. Die Seesoldaten kampfbereit an den Finknetzen und in den Marsen. Benbow konnte und wurde sich wie schon oft tapfer schlagen. Zum Gluck waren in der Mannschaft viele ausgebildete, erfahrene Seeleute. Zwei zu eins: das Krafteverhaltnis war akzeptabel.
Philomels Masten legten sich hart uber, als sie sich durch den Wind kampfte, bis sich auf dem anderen Bug ihre Segel wieder fullten. Herrick lachelte grimmig. Bolitho hatte Fregatten schon immer geliebt, er hingegen bevorzugte ein solides, kraftvolles Linienschiff unter den Fu?en.
Wieder meldete sich der Midshipman:»Ein kleines Schiff greift die Franzosen an, Sir!«Seine schrille Stimme uberschlug sich.»Eine Brigg, Sir!»
Herrick starrte hinauf zur Bramstenge. Der Kommandant dieser Brigg versuchte, ihn zu warnen.
«Neuer Kurs Sudwest zu West!«bellte er und wartete, bis das entsprechende Signal fur den Konvoi gesetzt war. Aber:»Was zum Teufel treibt Kapitan Saunders?«rief er, als Phi-lomel abfiel und mit zunehmender Geschwindigkeit auf den Feind zulief.»Rufen Sie diesen Irren zuruck! Ich brauche ihn hier!»
Nach einer Weile senkte der Midshipman das Teleskop. »Philomel bestatigt nicht, Sir!»
«Verflucht, sind denn alle blind?«Dabei fiel ihm Bolitho ein, und er schamte sich.»Andern Sie trotzdem den Kurs, Kapitan Dewar«, fugte er hinzu.
Nach der geringfugigen Kursanderung lagen die beiden Handelsschiffe praktisch querab in Benbows Lee. In dieser Position waren sie geschutzter, wenn der Feind seine volle Starke zeigte.
Laforeys Leutnant erschien, und Herrick funkelte ihn an.»Was gibt's jetzt schon wieder?»
Der Leutnant betrachtete die Stuckmannschaften, die sandbestreuten Decks, die aufgepflanzten Bajonette der Seesoldaten.»Mit den besten Empfehlungen von Sir Marcus, Sir…»
Herrick hatte einen Einfall.»Sagen Sie meinem Steward, er soll dem Admiral eine Flasche vom besten Portwein geben. «Als der Leutnant zur Poop hastete, rief er ihm hinterher:»Und noch eine, wenn's sein mu?!«Er warf De-war einen Blick zu.»Damit ist ihm wohl das Maul gestopft.»
Vom ostlichen Horizont breitete sich die Dunkelheit aus wie ein riesiger Mantel; selbst die Wellenkamme schienen zu schrumpfen, als aus Mannern Schatten wurden.
Doch das sporadische Geschutzfeuer hielt an: der kurze, scharfe Knall der leichteren englischen Kanonen, gefolgt vom zornigen Brullen schwerer franzosischer Geschutze.
Kapitan Dewar nahm von seinem Bootsfuhrer ein Glas Brandy entgegen und sah, da? der Admiral seinem Beispiel folgte.
«Wer sich mit diesen Brocken einla?t, mu? ein tapferer Mann sein, Sir. «Der Brandy brannte auf Herricks vom Salz aufgesprungenen Lippen. Es waren zwar mehrere Briggs in diesem Seegebiet gemeldet, doch insgeheim wu?te er, wer da alle Vorsicht in den Wind geschlagen hatte, um ihn zu warnen.
«Beim ersten Tageslicht greifen wir an«, sagte er langsam und eindringlich — wie ein Versprechen.
Bolitho zog den Kopf zwischen zwei Decksbalken ein. Das Orlop wirkte mit seinen kreisenden Laternen und tanzenden Schatten nach den langen, offenen Batteriedecks uber ihm fast menschenleer. Tusons Assistent umstand mit seinen Gehilfen den improvisierten Tisch, auf dem der Arzt bald seine blutige Arbeit verrichten wurde. Frisch geschrubbte Bottiche fur die amputierten Gliedma?en mahnten grimmig an das ihnen allen Bevorstehende.
Carcaud uberprufte seine Instrumente, die im Licht der schwankenden Laternen matt blitzten. Wie die meisten Manner, denen Bolitho auf seinem rastlosen Inspektionsgang begegnet war, wich auch er seinem Blick aus. Sie schienen sich in seiner Gegenwart unsicher zu fuhlen und sahen ihn lieber bei seinen Offizieren auf dem Achterdeck.
An der Tur zum Krankenrevier blieb Bolitho stehen und wartete, bis Tuson von seinen Vorbereitungen aufsah. Es roch nach Verbanden und peinlicher Sauberkeit. Der im Augenblick einzige Patient lugte aus seiner Koje: Midship-man Estridge machte sich trotz seines Beinbruchs nutzlich; Tuson lie? ihn im Liegen Binden wickeln.
Bolitho nickte ihm zu und sagte dann zum Arzt:»In einer Stunde wird es hell.»
Tuson musterte ihn freudlos.»Wie geht's dem Auge, Sir?»
Bolitho zuckte die Achseln.»Es war schon schlechter. «Fur die seltsame Tatsache, da? ihn Gefahr und Tod diesmal vollig kalt lie?en, fand er keine Erklarung. Er war auf jedem Deck gewesen und hatte sich allen gezeigt. Wenigstens hier unten, in diesem Raum, den er sonst so furchtete, hatte er erwartet, Angst zu verspuren. Doch er empfand nur Erleichterung. Wann war er jemals vor einem Gefecht so gleichgultig gewesen? Oder hatte er schon resigniert?
Tuson schaute zur niedrigen Decke auf, die fast sein wei?es Haar streifte.»Das Schiff ist so leise.»
Bolitho wu?te, was er meinte. Normalerweise verteilten sich die Gerausche der Manner bei ihrer Arbeit, beim Essen und dem taglichen Dienst uber das ganze Schiff. Doch seit sie klar zum Gefecht gemacht hatten, kamen alle Gerausche von oben, konzentrierten sich um die Geschutze hinter den noch verschlossenen Stuckpforten. Bald wurden die Rohre so hei? sein, da? kein Mann es mehr wagen konnte, sie mit blo?en Handen zu beruhren.
Die Gerausche von Wind und See klangen hier unten erstickt. Das Schwappen des Bilgenwassers, das gelegentliche Knarren einer Pumpe wirkten gespenstisch. Und seit Einbruch der Dunkelheit war auch der ferne Kanonendonner verstummt. Bolitho kam es vor, als waren sie allein.
Tuson beobachtete ihn. Ihm war bereits aufgefallen, da? Bolitho ein frisches Hemd und Halstuch angelegt hatte und am Uniformrock die glitzernden Epauletten mit den beiden silbernen Sternen trug. Er sann daruber nach. War es Bo-litho denn gleichgultig, da? er ein auffallendes Ziel bot? Wollte er sterben? Oder sorgte er sich so, da? ihm seine eigene Sicherheit nebensachlich vorkam? Er war barhauptig, sein schwarzes Haar glanzte im zuckenden Lampenschein, und nur die eine Locke, die, wie Tuson besser als jeder andere wu?te, eine gra?liche Narbe verbarg, begann zu ergrauen. An Deck wurde Allday ihm dann Hut und Degen reichen. Diese stumme kleine Zeremonie war im Geschwader schon fast zur Legende geworden.
«Ich habe Kapitan Inch nach vorn verlegt, Sir«, sagte Tuson.»Dort ist es zwar nicht so bequem — «, kurz musterte er den leeren Operationstisch, um den seine Leute standen oder sa?en wie Aasvogel,»aber er ist da besser aufgehoben.»
Die wei?en Beine eines Fahnrichs erschienen auf der Leiter.»Empfehlung von Kapitan Keen, Sir Richard, und.»
Bolitho nickte. Das war der kleine Hickling, der ihm, wenngleich ahnungslos, geholfen hatte, Zenoria in Malta vom Schiff zu schmuggeln.»Danke, ich komme. «Er warf dem Arzt einen langen Blick zu. Erst spater fiel Tuson auf, da? er in Bolithos Augen keinen Makel gesehen hatte.»Kummern Sie sich gut um die Leute.»
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