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Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander - Страница 65


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Kapitan Bolithos Stimme ri? ihn aus seinen Gedanken, und als er nach achtern schaute, sah er ihn an der Querreling stehen. Seine Hande ruhten auf der Steuerbordkarronade, wahrend er auf die versammelte Mannschaft hinunterblickte.

«Die meisten von euch wissen bereits, da? Zahlmeister Evans tot ist. Er wurde vor kurzem in seiner Kajute grausam ermordet. «Er unterbrach sich, als Herrick einen der Niedergange hinunterstieg, um dem Ersten Leutnant etwas zu sagen. Dann fuhr Bolitho im gleichen Ton fort:»Jeder bleibt an Ort und Stelle, bis der Schuldige festgenommen worden ist.»

Pochin, dem der Schwei? uber das Gesicht stromte, sagte heiser:»Hat der Hoffnungen! Den verdammten Zahlmeister hat doch jeder an Bord geha?t!«Doch niemand reagierte darauf oder sah ihn an. Alle Augen hafteten an Vibart, der, von Brocks gefolgt, zielstrebig uber das Hauptdeck ging.

Selbst das Meer und die Leinwand schienen verstummt, und als Vibart unter der Gro?rah stehenblieb, horte Allday das schwere Atmen des Ersten und das Knirschen seiner Brustriemen. Die furchtbare Spannung wahrte noch einige Sekunden. Dann, wahrend Vibart seine Augen langsam uber die Gesichter gleiten lie?, trat Brock vor und hob seinen Stock.»Da ist er, Sir. Das ist der morderische Schuft.»

Der Stock fuhr im Bogen herunter, und Allday taumelte zuruck, von dem Schlag halb betaubt. Die Wochen und Monate versanken. Er war wieder auf der Kustenstra?e, und Brock zog ihm mit demselben Stock eins uber das Gesicht, wahrend die anderen Mitglieder des Pre?kommandos den Vorfall verfolgten. Das Blut rann ihm in die Mundwinkel, und ihm drohnten die Ohren. Stimmen und Rufe ertonten rings um ihn her, doch er konnte sich weder bewegen noch schutzen, als Brock zum zweiten Mal zuschlug und der Stock ihn im Nacken traf. Vibart starrte ihn an. Seine Augen waren unter den Brauen kaum zu sehen, wahrend er verfolgte, wie Brock ihn vom Mast wegri?.

«Er war andauernd mit mir zusammen!«krachzte Old Strachan.»Er kann's nicht getan haben, Mr. Vibart!»

Vibart schien endlich die Sprache wiederzufinden. Aber seine Worte klangen so gepre?t, als bekame er vor Wut kein Wort heraus.»Maul halten, damlicher alter Narr!«Er stie? Old Strachan beiseite.»Oder ich nehme Sie auch mit.»

Jetzt, da der erste Schreck voruber war, drangten einige, von den hinteren geschoben, ein paar Schritte vor. Vom Achterdeck gellte ein Kommando, und die Musketen hoben sich. Sie wurden feuern, das Glitzern in Sergeant Garwoods Augen lie? daran keinen Zweifel.

Bolitho stand noch immer an seiner Seite der Reling. Seine Gestalt zeichnete sich dunkel gegen den bleichen Himmel ab.»Bringen Sie den Mann nach achtern, Mr. Vibart.»

Old Strachan stotterte:»Er war dauernd mit mir zusammen, ich schwore es.»

Brock stie? Allday vor sich her zum Achterdeck und zischte:»War er das, Strachan, tatsachlich? Die ganze Zeit?»

Strachan murmelte verwirrt:»Na, bis vielleicht mal auf eine Minute, Mr. Brock.»

«Um einen Menschen zu toten, braucht man blo? eine Minute«, sagte Brock grob.

Allday versuchte zu sich zu kommen, wahrend er den Niedergang hinauf und an den Seesoldaten vorbei gesto?en wurde. Es kam ihm vor, als ware er ein anderer, als schaue er selber der grausamen Wirklichkeit dieser Vorgange zu. Seine Glieder waren taub, und er hatte keine Gewalt uber sie. Selbst die Stellen, an denen ihn Brocks Stock getroffen hatte, schmerzten nicht mehr. Er merkte, da? ihn Leutnant Herrick wie einen Fremden ansah. Und Mr. Proby, der Steuermann, sah weg, als konnte er es nicht ertragen, seinen Blicken zu begegnen.

Der Kapitan schien aus dem Nichts aufzutauchen, und als er drei Schritte vor ihm stand, horte er ihn fragen:»John Allday, haben Sie mir etwas zu sagen?»

Alldays taube Lippen bewegten sich einige Male stumm, ehe er herauswurgte:»Nein, Sir!«In der Tiefe seiner Seele schrie eine Stimme: >Sag' es ihm! Sag' es ihm!< Dann brachte er muhsam heraus:»Ich war es nicht, Sir.»

Er versuchte, den Schatten, der die Zuge des Kapitans verbarg, zu durchdringen. Er sah die Falten um die Mundwinkel, den Schwei? auf der Stirn. Aber es hatte alles keine Realitat, war alles Teil ein und desselben Alptraums.»Kennen Sie die?«fragte Bolitho.

Jemand hielt ihm ein Paar kleine Pistolen unter die Augen. Sie blitzten hell und bose in der Sonne.

Allday schuttelte den Kopf.»Nein, Sir.»

«Oder das?«Bolithos Stimme verriet nichts.

Diesmal war es ein Messer mit abgebrochener Spitze und geronnenem Blut auf dem abgegriffenen Schaft.

Allday stierte das Messer an.»Es ist meins, Sir. «Seine Hand fuhr nach dem Gurtel, die Finger ertasteten die leere Scheide.

«Die Pistolen wurden zwischen Ihren Sachen gefunden«, sagte Bolitho.»Und Ihr Messer lag unter Mr. Evans' Spind. «Er wartete einen Augenblick, um die Worte wirken zu lassen.»Nach dem Kampf blieb es wohl dort liegen.»

Allday schwankte.»Ich habe es nicht getan, Sir. «Die Worte blieben ihm fast in der Kehle stecken.»Warum hatte ich so was tun sollen?»

Wie von weit her horte er Vibarts rauhe Stimme:»Lassen Sie mich ihn an die Rah hangen, Sir. Es gibt den anderen etwas zum Nachdenken, wenn er da oben zappelt.»

«Ich denke, Sie haben genug gesagt, Mr. Vibart!«entgegnete Bolitho scharf und wandte sich dann Allday zu.»Aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens hatte ich gro?e Hoffnung in Sie gesetzt, Allday. Mr. Herrick hat sich bereits fur Sie eingesetzt, aber in diesem Fall spricht nichts fur Milde. «Und nach kurzer Pause:»Gema? Absatz I der Kriegsartikel konnte ich Sie unverzuglich hangen lassen. Wie die Dinge liegen, beabsichtige ich jedoch, Sie einem Kriegsgericht zu ubergeben, sobald Gelegenheit dazu ist.»

Vom Hauptdeck klang leises Gemurmel herauf, und Allday wu?te, da? er in den Augen der anderen bereits eine Leiche war.

Bolitho wandte sich ab.»Legen Sie ihn in Eisen, Mr. Vibart. Aber jede unnotige Brutalitat wurden Sie vor mir verantworten mussen!»

Allday war vollig betaubt. Er taumelte wie ein Betrunkener, als man ihn nach unten brachte. Tief unterhalb des Hauptdecks lagen zwei kleine Zellen, jede gerade gro? genug fur einen Mann. Allday sah stumm zu, wie sich die schweren Eisen um seine Hande und Fu?e legten. Doch erst als die Tur zuschlug und der Riegel vorrasselte und er in totaler Finsternis zuruckblieb, packte ihn die tatsachliche Wahrheit mit schrecklichem Wurgegriff. Es wurde lange dauern, bis die Phalarope wieder in einen Hafen einlief und die fur ein Kriegsgericht erforderliche Zahl an Offizieren zusammengebracht werden konnte. Aber wer erinnerte sich dann noch oder wen kummerte es dann, ob er unschuldig war oder nicht? Man wurde ihn als warnendes Beispiel benutzen: eine zappelnde, um sich schlagende Marionette, die, begleitet von dumpfem Trommelgerassel, langsam am Seil zur Gro?rah hinaufgezogen wurde.

Er hammerte mit den Fausten gegen die Tur. Der Laut hallte in der Stille des Schiffsrumpfes wider. Er schlug so lange gegen die Tur, bis er fuhlte, wie ihm das Blut uber die Finger rann, bis er seine Tranen auf den Lippen schmeckte. Dann sackte er erschopft und keuchend zusammen, und nun herrschte vollige Stille, die tiefe, leere Todesstille eines Grabes.

Leutnant Herrick lehnte mit der Schulter gegen den Gro?mast und schaute mi?mutig uber die leeren Decks. Eine Stunde der Mittelwache lag hinter ihm, und im hellen Mondlicht schimmerten Segel und Takelage wie die eines Gespensterschiffs. Ob er wollte oder nicht, er mu?te immer wieder an Allday und den ermordeten Zahlmeister denken. Vernunftigerweise hatte er sich sagen sollen, da? die Sache aus und voruber war. Lediglich eine Eintragung im Logbuch, die kurz besprochen und dann vergessen wurde. Evans war tot, und sein Morder lag unten in Eisen. Zumindest daruber sollte jeder einigerma?en zufrieden sein. Ein unentdeckter Morder, der das Logis in Schrecken versetzte oder wieder zuschlug, ware weitaus besorgniserregender gewesen.

Er stellte sich vor, wie Allday immer wieder von neuem zustie? und die Leiche zerfleischte, bis sie kaum noch an einen Menschen erinnerte, und dann abgebruht ein Paar Pistolen stahl und sie in seinem eigenen Quartier versteckte. Es ergab alles keinen Sinn, aber ihm war klar, da? er die Beweise nur anzweifelte, weil es sich um Allday handelte.

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