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Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander - Страница 57


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Doch bei solchen Erinnerungen blieb es nicht, denn Sir Robert fragte plotzlich scharf:»Und Sie, Mr. Farquhar, wurden mit dem spanischen Gefangenen zuruckgelassen?»

Farquhar sah ihn wachsam an, und einen Augenblick kehrte die Spannung an den eng besetzten Tisch zuruck. Doch Farquhar verlor nicht den Kopf. Selbst die wohlbekannte Tatsache, da? Sir Robert gewohnlich niemanden unter Leutnantsrang anredete, brachte ihn nicht aus der Fassung.

«Ja, Sir. Ich stie? zum Kapitan, und wir gerieten zusammen in Gefangenschaft.»

Der Admiral wandte sich Okes zu, der bisher beinahe stumm dagesessen hatte.»Ihr Teil bei diesem Unternehmen hat Sie offenbar sehr in Atem gehalten, Mr. Okes?»

Der Leutnant blickte besturzt hoch.»Hm, ja, Sir. Ich tat, was ich tun mu?te. Es gab keinen anderen Weg.»

Sir Robert nippte an seinem Wein und musterte ihn kuhl.»Fur einen so ruhmreichen Offizier sind Sie au?erordentlich zuruckhaltend, Mr. Okes. Ein bi?chen Bescheidenheit ist immer willkommen, aber nicht, wenn sie wie Schuld wirkt. «Seine kalten Augen lagen noch ein paar Sekunden auf Okes' bleichem Gesicht, dann lachte er. Ein humorloses Lachen, doch es half, das plotzliche und unbehagliche Schweigen zu brechen.

«Und Sie, Mr. Herrick?«Der Admiral beugte sich vor und blickte an seinem Kapitan vorbei uber den Tisch.»Ihre Heldentaten bei Nevis scheinen ein wenig vom Zufall begunstigt gewesen zu sein. Aber dennoch erreichten Sie ohne Zweifel Ihr Ziel.»

Herrick grinste breit.»Kapitan Bolitho hat mich bereits auf die Fallgruben des Glucks hingewiesen, Sir.»

«So, in der Tat?«Der Admiral zog leicht die Brauen hoch.»Bin erfreut, es zu horen.»

Und so ging es in der gleichen Art weiter. Der Admiral fragte und horte zu. Und falls das zu nichts fuhrte, provozierte er den unglucklichen Offizier offen zu einer erregten und unbedachten Antwort. Der Treuetrinkspruch wurde von dem jungsten anwesenden Offizier ausgebracht. Fahnrich Neale, auf der einen Seite von Proby, auf der anderen von Ellice uberragt, quiekte:»Gentlemen, auf den Konig!«Danach lief er rot an und verfiel wieder in Schweigen.

Bolitho bemerkte, da? sich die rechte Hand des Admirals wie eine Klaue um das Glas klammerte. Der Admiral sah seinen Blick und sagte verdrossen:»Verdammter Rheumatismus. Habe ihn seit Jahren.»

Plotzlich schatzte Bolitho den Mann an seiner Seite. Nicht den Admiral mit seinen kleinlichen Schwachen und dem ungerechten Gebrauch von Vorrecht und Rang, sondern einfach den Mann. Er war alt, wahrscheinlich in den Sechzigern, und soviel Bolitho wu?te, hatte er in den letzten zehn Jahren den Fu? nicht langer als ein paar Tage an Land gesetzt. Er hatte seine Flagge auf vielen Schiffen wehen lassen und sich mit Problemen und Strategien beschaftigt, die Bolitho sich nur undeutlich vorstellen konnte.

Der Admiral sah ihn fest an.»Fragen Sie sich noch immer, warum ich gekommen bin, Bolitho?«Er wartete eine Antwort nicht ab.»Vor vielen Jahren habe ich selber eine Fregatte befehligt. Das war meine schonste Zeit, der Einsatz nicht so hoch. «Das Gesicht verschlo? sich wieder.»Ich bin hergekommen, weil ich sehen wollte, was Sie aus diesem Schiff gemacht haben. «Er fa?te sich ans Kinn, als suche er nach einem Weg, ein Kompliment zu umgehen.»Was ich sehe, mi?fallt mir nicht ganzlich. «Er sprach so leise, da? die von neuem erwachte Unterhaltung seine Worte fast verschluckte.»Die Mehrzahl Ihrer Offiziere scheint Sie sehr zu achten. Ich wei? aus Erfahrung, wie schwer Achtung zu erringen ist.»

Bolitho lachelte dunn.»Danke, Sir.»

«Ich schatze es, die Manner zu kennen, die unter meinem Kommando stehen. Sehe ich ein Segel am Horizont, interessiert mich nicht die Zahl der Kanonen und der Zustand des Anstrichs. Mir liegt daran, den Geist des Mannes zu kennen, der das Schiff kommandiert, verstehen Sie?«Er starrte uber die Kopfe der Offiziere hinweg.»England kampft um sein Leben. Zur Zeit fuhren wir einen Verteidigungskrieg. Der Angriff kommt spater, vielleicht erst nach Jahren, wenn ich tot und begraben bin. Doch bis dahin ist England auf seine Schiffe angewiesen, vielleicht nur auf ein paar hundert Schiffe, die voll einsatzfahig sind. «Er klopfte auf den Tisch, so da? die anderen verstummten und sich ihm zuwandten, um zuzuhoren.»Und diese Schiffe hangen von ihren Kapitanen ab.»

Bolitho wollte etwas einwerfen, doch der Admiral sagte gereizt:»Lassen Sie mich ausreden. Ich kenne jetzt Ihren Ruf. Sie sind in vieler Hinsicht ein Idealist. Sie hoffen auf bessere Bedingungen fur Ihre Leute, so da? Sie auf See eine ehrenhafte Karriere machen konnen. «Er unterstrich seine Worte durch den erhobenen Zeigefinger.»Als ich junger war, hatte ich auch solche Illusionen, und mehr noch. Aber der ist ein guter Kapitan, der die Schwierigkeiten nimmt, wie sie kommen, und dennoch ein tuchtiges Schiff fuhrt, ein Schiff, das Ehre und Lob verdient. «Seine Augen wanderten von einem zum anderen.»Nun, meine Herren, bin ich verstanden worden?»

Bolitho folgte dem Blick des Admirals: Vibart, rot angelaufen, ohne jedes Lacheln. Herrick, vom voraufgegangenen Sarkasmus des Admirals unberuhrt, grinste noch immer. Rennie, steif aufgerichtet, aber mit vollig glasigen Augen, die nichts mehr wahrnahmen. Old Daniel Proby, verlegen, in solcher illustren Gesellschaft zu sein, doch plotzlich mit einem Ausdruck von Stolz auf dem Gesicht, als hatte er eine tiefere Bedeutung aus den Worten des Admirals herausgehort. Und Ellice, der Arzt, der seit Beginn der Mahlzeit unaufhorlich getrunken hatte. Bolitho bemitleidete Ellice. Schlecht bezahlt wie alle Schiffsarzte. Kein Wunder, wenn er eher Schlachter denn Arzt war. Ein Wettlauf, doch wer wurde gewinnen, der Alkohol oder ein todlicher Irrtum? Es war lediglich eine Frage der Zeit. Okes litt noch immer unter der scharfen Einschatzung des halbvergessenen Angriffs auf die Insel. Bolitho bemerkte, da? Okes immer wieder verstohlen und verzweifelt zu Farquhar hinubersah, der im Vergleich zu ihm ruhig und teilnahmslos wirkte und in Gedanken vielleicht weit weg war. Moglicherweise wieder unter der in die Luft gejagten Brucke, wo ihn der Mann, der ihn jetzt immer wieder ansah, zuruckgelassen und damit dem Tod ausgesetzt hatte. Die Tatsache, da? Farquhar daruber keine Bemerkung gemacht hatte, mu?te Okes mehr als alles andere mit Sorge erfullen.

Und die beiden anderen Fahnriche, Maynard und Neale? Sie waren erregt, ohne aber das mitzubekommen, was hinter den Gesprachen und Gedanken lag. Bolitho sah plotzlich sehr klar, welche Verantwortung er fur sie alle trug.

Der Admiral stand auf und hob sein Glas.»Ein Trinkspruch!«Seine blassen Augen blitzten.»Tod den Franzosen!»

Alle hoben ihr Glas, und die Stimmen ratterten die Antwort heraus:»Und Verderben unseren Feinden!»

«Zeit aufzubrechen, Cope«, sagte der Admiral zu seinem Kapitan.

Bolitho folgte ihm zum Oberdeck. Er horte nur halb auf die hastenden Fu?e und das Knarren der Riemen langsseits. Bolitho wu?te, da? das Schlimmste vorbei war. Die Phalarope war endlich frei von Schande.

Er luftete den Hut, als der Admiral zum Fallreep schritt, und wartete, bis er in der Barkasse verschwunden war. Dann setzte er den Hut mit einem Ruck wieder auf und begann, die Hande auf dem Rucken verschrankt, auf dem verlassenen Achterdeck auf und ab zu gehen.

Der Admiral hatte au?erdem auf seine Weise klargestellt, da? es die Aufgabe des Kapitans war, das Schiff weiterhin frei von Schande zu halten. Er blickte zu den Ankerlaternen, deren Schein auf dem Wasser tanzten, und lauschte dem klagenden Kratzen einer Violine und dem wehmutigen Klang eines alten Shantys. Solange die Manner noch singen, dachte er, ist Hoffnung fur uns alle.

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