Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 17
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Achter Gesang
Weiter gingen sie nun zusammen uber die Heide,
Grimbart und Reineke, grade den Weg zum Schlosse des Konigs.
Aber Reineke sprach: Es falle, wie es auch wolle,
Diesmal ahndet es mir, die Reise fuhret zum besten.
Lieber Oheim, horet mich nun! Seitdem ich zum letzten
Euch gebeichtet, verging ich mich wieder in sundigem Wesen;
Horet Gro?es und Kleines, und was ich damals vergessen.
Von dem Leibe des Baren und seinem Felle verschafft ich
Mir ein tuchtiges Stuck; es lie?en der Wolf und die Wolfin
Ihre Schuhe mir ab; so hab ich mein Mutchen gekuhlet.
Meine Luge verschaffte mir das, ich wu?te den Konig
Aufzubringen und hab ihn dabei entsetzlich betrogen:
Denn ich erzahlt ihm ein Marchen, und Schatze wu?t ich zu dichten.
Ja, ich hatte daran nicht genug, ich totete Lampen,
Ich bepackte Bellyn mit dem Haupt des Ermordeten; grimmig
Sah der Konig auf ihn, er mu?te die Zeche bezahlen.
Und das Kaninchen, ich druckt es gewaltig hinter die Ohren,
Da? es beinah das Leben verlor, und war mir verdrie?lich,
Da? es entkam. Auch mu? ich bekennen, die Krahe beklagt sich
Nicht mit Unrecht, ich habe Frau Scharfenebbe, sein Weibchen,
Aufgegessen. Das hab ich begangen, seitdem ich gebeichtet.
Aber damals verga? ich nur eines, ich will es erzahlen,
Eine Schalkheit, die ich beging, Ihr mu?t sie erfahren,
Denn ich mochte nicht gern so etwas tragen; ich lud es
Damals dem Wolf auf den Rucken. Wir gingen namlich zusammen
Zwischen Kacky? und Elverdingen, da sahn wir von weitem
Eine Stute mit ihrem Fohlen, und eins wie das andre
Wie ein Rabe so schwarz; vier Monat mochte das Fohlen
Alt sein. Und Isegrim war vom Hunger gepeinigt, da bat er:
Fraget mir doch, verkauft uns die Stute nicht etwa das Fohlen?
Und wie teuer? Da ging ich zu ihr und wagte das Stuckchen.
Liebe Frau Mahre, sagt ich zu ihr: das Fohlen ist Euer,
Wie ich wei?; verkauft Ihr es wohl? Das mocht ich erfahren.
Sie versetzte: Bezahlt Ihr es gut, so kann ich es missen,
Und die Summe, fur die es mir feil ist, Ihr werdet sie lesen,
Hinten steht sie geschrieben an meinem Fu?e. Da merkt ich,
Was sie wollte, versetzte darauf: Ich mu? Euch bekennen,
Lesen und Schreiben gelingt mir nicht eben so, wie ich es wunschte.
Auch begehr ich des Kindes nicht selbst: denn Isegrim mochte
Das Verhaltnis eigentlich wissen; er hat mich gesendet.
La?t ihn kommen! versetzte sie drauf. er soll es erfahren.
Und ich ging, und Isegrim stand und wartete meiner.
Wollt Ihr Euch sattigen, sagt ich zu ihm: so geht nur, die Mahre
Gibt Euch das Fohlen, es steht der Preis am hinteren Fu?e
Unten geschrieben; ich mochte nur, sagte sie, selber da nachsehn.
Aber zu meinem Verdru? mu?t ich schon manches versaumen,
Weil ich nicht lesen und schreiben gelernt. Versucht es, mein Oheim,
Und beschauet die Schrift, Ihr werdet vielleicht sie verstehen.
Isegrim sagte: Was sollt ich nicht lesen! das ware mir seltsam!
Deutsch, Latein und Welsch, sogar Franzosisch versteh ich:
Denn in Erfurt hab ich mich wohl zur Schule gehalten,
Bei den Weisen, Gelahrten, und mit den Meistern des Rechtes
Fragen und Urteil gestellt; ich habe meine Lizenzen
Formlich genommen, und was fur Skripturen man immer auch findet,
Les ich, als war es mein Name. Drum wird es mir heute nicht fehlen.
Bleibet, ich geh und lese die Schrift, wir wollen doch sehen!
Und er ging und fragte die Frau: Wie teuer das Fohlen?
Macht es billig! Sie sagte darauf: Ihr durft nur die Summe
Lesen, sie stehet geschrieben an meinem hinteren Fu?e.
La?t mich sehen! versetzte der Wolf. Sie sagte: Das tu ich!
Und sie hub den Fu? empor aus dem Grase, der war erst
Mit sechs Nageln beschlagen; sie schlug gar richtig und fehlte
Nicht ein Harchen, sie traf ihm den Kopf, er sturzte zur Erden,
Lag betaubt wie tot. Sie aber eilte von dannen,
Was sie konnte. So lag er verwundet, es dauerte lange.
Eine Stunde verging, da regt' er sich wieder und heulte
Wie ein Hund. Ich trat ihm zur Seite und sagte: Herr Oheim,
Wo ist die Stute? Wie schmeckte das Fohlen? Ihr habt Euch gesattigt,
Habt mich vergessen! Ihr tatet nicht wohl: ich brachte die Botschaft!
Nach der Mahlzeit schmeckte das Schlafchen. Wie lautete, sagt mir,
Unter dem Fu?e die Schrift? Ihr seid ein gro?er Gelehrter.
Ach, versetzt' er: spottet Ihr noch? Wie bin ich so ubel
Diesmal gefahren! Es sollte furwahr ein Stein sich erbarmen.
Die langbeinige Mahre! Der Henker mags ihr bezahlen!
Denn der Fu? war mit Eisen beschlagen, das waren die Schriften!
Neue Nagel! Ich habe davon sechs Wunden im Kopfe.
Kaum behielt er sein Leben. Ich habe nun alles gebeichtet.
Lieber Neffe! vergebet mir nun die sundigen Werke!
Wie es bei Hofe gerat, ist mi?lich; aber ich habe
Mein Gewissen befreit und mich von Sunden gereinigt.
Saget nun, wie ich mich be?re, damit ich zu Gnaden gelange.
Grimbart sprach: Ich find Euch von neuem mit Sunden beladen.
Doch es werden die Toten nicht wieder lebendig; es ware
Freilich besser, wenn sie noch lebten. So will ich, mein Oheim,
In Betrachtung der schrecklichen Stunde, der Nahe des Todes,
Der Euch droht, die Sunde vergeben als Diener des Herren:
Denn sie streben Euch nach mit Gewalt, ich furchte das Schlimmste,
Und man wird Euch vor allem das Haupt des Hasen gedenken!
Gro?e Dreistigkeit war es, gestehts, den Konig zu reizen,
Und es schadet Euch mehr, als Euer Leichtsinn gedacht hat.
Nicht ein Haar! versetzte der Schelm: und da? ich Euch sage,
Durch die Welt sich zu helfen, ist ganz was Eignes; man kann sich
Nicht so heilig bewahren als wie im Kloster, das wi?t Ihr.
Handelt einer mit Honig, er leckt zuweilen die Finger.
Lampe reizte mich sehr; er sprang heruber, hinuber,
Mir vor den Augen herum, sein fettes Wesen gefiel mir,
Und ich setzte die Liebe beiseite. So gonnt ich Bellynen
Wenig Gutes. Sie haben den Schaden; ich habe die Sunde.
Aber sie sind zum Teil auch so plump, in jeglichen Dingen
Grob und stumpf. Ich sollte noch viel Zeremonien machen?
Wenig Lust behielt ich dazu. Ich hatte von Hofe
Mich mit Angsten gerettet und lehrte sie dieses und jenes,
Aber es wollte nicht fort. Zwar jeder sollte den Nachsten
Lieben, das mu? ich gestehn; indessen achtet ich diese
Wenig, und tot ist tot, so sagt Ihr selber. Doch la?t uns
Andre Dinge besprechen; es sind gefahrliche Zeiten.
Denn wie geht es von oben herab? Man soll ja nicht reden;
Doch wir andern merken darauf und denken das Unsre.
Raubt der Konig ja selbst so gut als einer, wir wissens;
Was er selber nicht nimmt, das la?t er Baren und Wolfe
Holen und glaubt, es geschahe mit Recht. Da findet sich keiner,
Der sich getraut, ihm die Wahrheit zu sagen — so weit hinein ist es
Bose — kein Beichtiger, kein Kaplan; sie schweigen! Warum das?
Sie genie?en es mit, und war nur ein Rock zu gewinnen.
Komme dann einer und klage! der haschte mit gleichem Gewinne
Nach der Luft, er totet die Zeit und beschaftigte besser
Sich mit neuem Erwerb. Denn fort ist fort, und was einmal
Dir ein Machtiger nimmt, das hast du besessen. Der Klage
Gibt man wenig Gehor, und sie ermudet am Ende.
Unser Herr ist der Lowe, und alles an sich zu rei?en,
Halt er seiner Wurde gema?. Er nennt uns gewohnlich
Seine Leute: furwahr, das Unsre, scheint es, gehort ihm!
Darf ich reden, mein Oheim? Der edle Konig, er liebt sich
Ganz besonders Leute, die bringen und die nach der Weise,
Die er singt, zu tanzen verstehn. Man sieht es zu deutlich.
Da? der Wolf und der Bar zum Rate wieder gelangen,
Schadet noch manchem. Sie stehlen und rauben, es liebt sie der Konig;
Jeglicher sieht es und schweigt: er denkt, an die Reihe zu kommen.
Mehr als vier befinden sich so zur Seite des Herren,
Ausgezeichnet vor allen, sie sind die Gro?ten am Hofe.
Nimmt ein armer Teufel, wie Reineke, irgendein Huhnchen,
Wollen sie alle gleich uber ihn her, ihn suchen und fangen,
Und verdammen ihn laut mit Einer Stimme zum Tode.
Kleine Diebe hangt man so weg, es haben die gro?en
Starken Vorsprung, mogen das Land und die Schlosser verwalten.
Sehet, Oheim, bemerk ich nun das und sinne daruber,
Nun, so spiel ich halt auch mein Spiel und denke daneben
Ofters bei mir: es mu? ja wohl recht sein, tuns doch so viele!
Freilich regt sich dann auch das Gewissen und zeigt mir von ferne
Gottes Zorn und Gericht und la?t mich das Ende bedenken.
Ungerecht Gut, so klein es auch sei, man mu? es erstatten.
Und da fuhl ich denn Reu im Herzen; doch wahrt es nicht lange.
Ja, was hilft dichs, der Beste zu sein, es bleiben die Besten
Doch nicht unberedet in diesen Zeiten vom Volke.
Denn es wei? die Menge genau nach allem zu forschen,
Niemand vergessen sie leicht, erfinden dieses und jenes;
Wenig Gutes ist in der Gemeine, und wirklich verdienen
Wenige drunter auch gute, gerechte Herren zu haben.
Denn sie singen und sagen vom Bosen immer und immer;
Auch das Gute wissen sie zwar von gro?en und kleinen
Herren, doch schweigt man davon, und selten kommt es zur Sprache.
Doch das Schlimmste find ich den Dunkel des irrigen Wahnes,
Der die Menschen ergreift: es konne jeder im Taumel
Seines heftigen Wollens die Welt beherrschen und richten.
Hielte doch jeder sein Weib und seine Kinder in Ordnung,
Wu?te sein trotzig Gesinde zu bandigen, konnte sich stille,
Wenn die Toren verschwenden, in ma?igem Leben erfreuen!
Aber wie sollte die Welt sich verbessern? Es la?t sich ein jeder
Alles zu und will mit Gewalt die andern bezwingen.
Und so sinken wir tiefer und immer tiefer ins Arge.
Afterreden, Lug und Verrat und Diebstahl und falscher
Eidschwur, Rauben und Morden, man hort nichts anders erzahlen.
Falsche Propheten und Heuchler betrugen schandlich die Menschen.
Jeder lebt nur so hin! und will man sie treulich ermahnen,
Nehmen sies leicht und sagen auch wohl: Ei, ware die Sunde
Gro? und schwer, wie hier und dort uns manche Gelehrte
Predigen, wurde der Pfaffe die Sunde selber vermeiden.
Sie entschuldigen sich mit bosem Exempel und gleichen
Ganzlich dem Affengeschlecht, das, nachzuahmen geboren,
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