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Hermann und Dorothea - Goethe Johann Wolfgang - Страница 16


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Denn das mu?t' ich erwarten, die stillen Wunsche verbergend,

Da? er sich brachte zunachst die Braut zum Hause gefuhret;

Und wie hatt' ich alsdann die heimlichen Schmerzen ertragen?

Glucklich bin ich gewarnt, und glucklich lost das Geheimnis

Von dem Busen sich los, jetzt, da noch das Ubel ist heilbar.

Aber das sei nun gesagt! Und nun soll im Hause mich langer

Hier nichts halten, wo ich beschamt und angstlich nur stehe,

Frei die Neigung bekennend und jene torichte Hoffnung.

Nicht die Nacht, die breit sich bedeckt mit sinkenden Wolken,

Nicht der rollende Donner (ich hor ihn) soll mich verhindern,

Nicht des Regens Gu?, der drau?en gewaltsam herabschlagt,

Noch der sausende Sturm. Das hab ich alles ertragen

Auf der traurigen Flucht und nah am verfolgenden Feinde.

Und ich gehe nun wieder hinaus, wie ich lange gewohnt bin,

Von dem Strudel der Zeit ergriffen, von allem zu scheiden.

Lebet wohl! ich bleibe nicht langer; es ist nun geschehen.»

Also sprach sie, sich rasch zuruck nach der Ture bewegend,

Unter dem Arm das Bundelchen noch, das sie brachte, bewahrend.

Aber die Mutter ergriff mit beiden Armen das Madchen,

Um den Leib sie fassend, und rief verwundert und staunend:

«Sag, was bedeutet mir dies? und diese vergeblichen Tranen?

Nein, ich lasse dich nicht; du bist mir des Sohnes Verlobte.»

Aber der Vater stand mit Widerwillen dagegen,

Auf die Weinende schauend, und sprach die verdrie?lichen Worte:

«Also das ist mir zuletzt fur die hochste Nachsicht geworden,

Da? mir das Unangenehmste geschieht noch zum Schlusse des Tages!

Denn mir ist unleidlicher nichts, als Tranen der Weiber,

Leidenschaftlich Geschrei, das heftig verworren beginnet,

Was mit ein wenig Vernunft sich lie?e gemachlicher schlichten.

Mir ist lastig, noch langer dies wunderliche Beginnen

Anzuschauen. Vollendet es selbst! ich gehe zu Bette.»

Und er wandte sich schnell und eilte zur Kammer zu gehen,

Wo ihm das Ehbett stand und wo er zu ruhen gewohnt war.

Aber ihn hielt der Sohn und sagte die flehenden Worte:

«Vater, eilet nur nicht und zurnt nicht uber das Madchen!

Ich nur habe die Schuld von aller Verwirrung zu tragen,

Die unerwartet der Freund noch durch Verstellung vermehrt hat.

Redet, wurdiger Herr! denn Euch vertraut' ich die Sache.

Haufet nicht Angst und Verdru?; vollendet lieber das Ganze!

Denn ich mochte so hoch Euch nicht in Zukunft verehren,

Wenn Ihr Schadenfreude nur ubt statt herrlicher Weisheit.»

Lachelnd versetzte darauf der wurdige Pfarrer und sagte:

«Welche Klugheit hatte denn wohl das schone Bekenntnis

Dieser Guten entlockt und uns enthullt ihr Gemute?

Ist nicht die Sorge sogleich dir zur Wonn' und Freude geworden?

Rede darum nur selbst! was bedarf es fremder Erklarung?»

Nun trat Hermann hervor und sprach die freundlichen Worte:

«La? dich die Tranen nicht reun, noch diese fluchtigen Schmerzen;

Denn sie vollenden mein Gluck und, wie ich wunsche, das deine.

Nicht das treffliche Madchen als Magd, die Fremde, zu dingen,

Kam ich zum Brunnen; ich kam, um deine Liebe zu werben.

Aber, ach! mein schuchterner Blick, er konnte die Neigung

Deines Herzens nicht sehn; nur Freundlichkeit sah er im Auge,

Als aus dem Spiegel du ihn des ruhigen Brunnens begru?test.

Dich ins Haus nur zu fuhren, es war schon die Halfte des Gluckes.

Aber nun vollendest du mir's! Oh, sei mir gesegnet!»

Und es schaute das Madchen mit tiefer Ruhrung zum Jungling

Und vermied nicht Umarmung und Ku?, den Gipfel der Freude,

Wenn sie den Liebenden sind die lang ersehnte Versichrung

Kunftigen Glucks im Leben, das nun ein unendliches scheinet.

Und den ubrigen hatte der Pfarrherr alles erklaret.

Aber das Madchen kam, vor dem Vater sich herzlich mit Anmut

Neigend und so ihm die Hand, die zuruckgezogene, kussend,

Sprach:»Ihr werdet gerecht der Uberraschten verzeihen,

Erst die Tranen des Schmerzes und nun die Tranen der Freude.

Oh, vergebt mir jenes Gefuhl! vergebt mir auch dieses

Und la?t nur mich ins Gluck, das neu mir gegonnte, mich finden!

Ja, der erste Verdru?, an dem ich Verworrene schuld war,

Sei der letzte zugleich! Wozu die Magd sich verpflichtet,

Treu, zu liebendem Dienst, den soll die Tochter Euch leisten!»

Und der Vater umarmte sie gleich, die Tranen verbergend.

Traulich kam die Mutter herbei und ku?te sie herzlich,

Schuttelte Hand in Hand; es schwiegen die weinenden Frauen.

Eilig fa?te darauf der gute verstandige Pfarrherr

Erst des Vaters Hand und zog ihm vom Finger den Trauring

(Nicht so leicht; er war vom rundlichen Gliede gehalten),

Nahm den Ring der Mutter darauf und verlobte die Kinder,

Sprach:»Noch einmal sei der goldenen Reifen Bestimmung,

Fest ein Band zu knupfen, das vollig gleiche dem alten.

Dieser Jungling ist tief von der Liebe zum Madchen durchdrungen

Und das Madchen gesteht, da? auch ihr der Jungling erwunscht ist.

Also verlob' ich euch hier und segn' euch kunftigen Zeiten,

Mit dem Willen der Eltern und mit dem Zeugnis des Freundes.»

Und es neigte sich gleich mit Segenswunschen der Nachbar.

Aber als der geistliche Herr den goldenen Reif nun

Steckt' an die Hand des Madchens, erblickt' er den anderen staunend,

Den schon Hermann zuvor am Brunnen sorglich betrachtet.

Und er sagte darauf mit freundlich scherzenden Worten:

«Wie! du verlobest dich schon zum zweitenmal? Da? nicht der erste

Brautigam bei dem Altar sich zeige mit hinderndem Einspruch!»

Aber sie sagte darauf.»Oh, la?t mich dieser Erinnrung

Einen Augenblick weihen! Denn wohl verdient sie der Gute,

Der mir ihn scheidend gab und nicht zur Heimat zuruckkam.

Alles sah er voraus, als rasch die Liebe der Freiheit,

Als ihn die Lust, im neuen veranderten Wesen zu wirken,

Trieb nach Paris zu gehn, dahin, wo er Kerker und Tod fand.

›Lebe glucklich‹, sagt' er. ›Ich gehe; denn alles bewegt sich

Jetzt auf Erden einmal, es scheint sich alles zu trennen.

Grundgesetze losen sich auf der festesten Staaten,

Und es lost der Besitz sich los vom alten Besitzer,

Freund sich los von Freund: so lost sich Liebe von Liebe.

Ich verlasse dich hier; und wo ich jemals dich wieder

Finde — wer wei? es? Vielleicht sind diese Gesprache die letzten.

Nur ein Fremdling, sagt man mit Recht, ist der Mensch hier auf Erden;

Mehr ein Fremdling als jemals ist nun ein jeder geworden.

Uns gehort der Boden nicht mehr; es wandern die Schatze;

Gold und Silber schmilzt aus den alten heiligen Formen;

Alles regt sich, als wollte die Welt, die gestaltete, ruckwarts

Losen in Chaos und Nacht sich auf, und neu sich gestalten.

Du bewahrst mir dein Herz; und finden dereinst wir uns wieder

Uber den Trummern der Welt, so sind wir erneute Geschopfe,

Umgebildet und frei und unabhangig vom Schicksal.

Denn was fesselte den, der solche Tage durchlebt hat!

Aber soll es nicht sein, da? je wir, aus diesen Gefahren

Glucklich entronnen, uns einst mit Freuden wieder umfangen,

Oh, so erhalte mein schwebendes Bild vor deinen Gedanken,

Da? du mit gleichem Mute zu Gluck und Ungluck bereit seist!

Locket neue Wohnung dich an und neue Verbindung,

So genie?e mit Dank, was dann dir das Schicksal bereitet!

Liebe die Liebenden rein und halte dem Guten dich dankbar.

Aber dann auch setze nur leicht den beweglichen Fu? auf;

Denn es lauert der doppelte Schmerz des neuen Verlustes.

Heilig sei dir der Tag; doch schatze das Leben nicht hoher

Als ein anderes Gut, und alle Guter sind truglich.‹

Also sprach er: und nie erschien der Edle mir wieder.

Alles verlor ich indes, und tausendmal dacht' ich der Warnung.

Nun auch denk ich des Worts, da schon mir die Liebe das Gluck hier

Neu bereitet und mir die herrlichsten Hoffnungen aufschlie?t.

Oh, verzeih, mein trefflicher Freund, da? ich, selbst an dem Arm dich

Haltend, bebe! So scheint dem endlich gelandeten Schiffer

Auch der sicherste Grund des festesten Bodens zu schwanken.»

Also sprach sie und steckte die Ringe nebeneinander.

Aber der Brautigam sprach mit edler mannlicher Ruhrung:

«Desto fester sei, bei der allgemeinen Erschuttrung,

Dorothea, der Bund! Wir wollen halten und dauern,

Fest uns halten und fest der schonen Guter Besitztum.

Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,

Der vermehret das Ubel und breitet es weiter und weiter;

Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.

Nicht dem Deutschen geziemt es, die furchterliche Bewegung

Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.

›Dies ist unser!‹ so la? uns sagen und so es behaupten!

Denn es werden noch stets die entschlossenen Volker gepriesen,

Die fur Gott und Gesetz, fur Eltern, Weiber und Kinder

Stritten und gegen den Feind zusammenstehend erlagen.

Du bist mein; und nun ist das Meine meiner als jemals.

Nicht mit Kummer will ich's bewahren und sorgend genie?en,

Sondern mit Mut und Kraft. Und drohen diesmal die Feinde

Oder kunftig, so ruste mich selbst und reiche die Waffen.

Wei? ich durch dich nur versorgt das Haus und die liebenden Eltern,

Oh, so stellt sich die Brust dem Feinde sicher entgegen.

Und gedachte jeder wie ich, so stunde die Macht auf

Gegen die Macht, und wir erfreuten uns alle des Friedens.»

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