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Die wunderlichen Nachbarskinder - Goethe Johann Wolfgang - Страница 2


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Das Wasser ist ein freundliches Element fur den, der damit bekannt ist und es zu behandeln wei?. Es trug ihn, und der geschickte Schwimmer beherrschte es. Bald hatte er die vor ihm fortgerissene Schone erreicht; er fa?te sie, wu?te sie zu heben und zu tragen; beide wurden vom Strom gewaltsam fortgerissen, bis sie die Inseln, die Werder weit hinter sich hatten und der Flu? wieder breit und gemachlich zu flie?en anfing. Nun erst ermannte, nun erholte er sich aus der ersten zudringenden Not, in der er ohne Besinnung nur mechanisch gehandelt; er blickte mit emporstrebendem Haupt umher und ruderte nach Vermogen einer flachen, buschichten Stelle zu, die sich angenehm und gelegen in den Flu? verlief. Dort brachte er seine schone Beute aufs Trockne; aber kein Lebenshauch war in ihr zu spuren. Er war in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad, der durchs Gebusch lief, in die Augen leuchtete. Er belud sich aufs neue mit der teuren Last, er erblickte bald eine einsame Wohnung und erreichte sie. Dort fand er gute Leute, ein junges Ehepaar. Das Ungluck, die Not sprach sich geschwind aus. Was er nach einiger Besinnung forderte, ward geleistet. Ein lichtes Feuer brannte, wollne Decken wurden uber ein Lager gebreitet, Pelze, Felle und was Erwarmendes vorratig war, schnell herbeigetragen. Hier uberwand die Begierde zu retten jede andre Betrachtung. Nichts ward versaumt, den schonen, halbstarren, nackten Korper wieder ins Leben zu rufen. Es gelang. Sie schlug die Augen auf, sie erblickte den Freund, umschlang seinen Hals mit ihren himmlischen Armen. So blieb sie lange; ein Tranenstrom sturzte aus ihren Augen und vollendete ihre Genesung.»Willst du mich verlassen«, rief sie aus,»da ich dich so wiederfinde?«—»Niemals«, rief er,»niemals!«und wu?te nicht, was er sagte noch was er tat.»Nur schone dich«, rief er hinzu,»schone dich! denke an dich um deinet- und meinetwillen.»

Sie dachte nun an sich und bemerkte jetzt erst den Zustand, in dem sie war. Sie konnte sich vor ihrem Liebling, ihrem Retter nicht schamen; aber sie entlie? ihn gern, damit er fur sich sorgen moge; denn noch war, was ihn umgab, na? und triefend.

Die jungen Eheleute beredeten sich; er bot dem Jungling und sie der Schonen das Hochzeitskleid an, das noch vollstandig dahing, um ein Paar von Kopf zu Fu? und von innen heraus zu bekleiden. In kurzer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht nur angezogen, sondern ganz geputzt. Sie sahen allerliebst aus, staunten einander an, als sie zusammentrafen, und fielen sich mit unma?iger Leidenschaft, und doch halb lachelnd uber die Vermummung, gewaltsam in die Arme. Die Kraft der Jugend und die Regsamkeit der Liebe stellten sie in wenigen Augenblicken vollig wieder her, und es fehlte nur die Musik, um sie zum Tanz aufzufordern.

Sich vom Wasser zur Erde, vom Tode zum Leben, aus dem Familienkreise in eine Wildnis, aus der Verzweiflung zum Entzucken, aus der Gleichgultigkeit zur Neigung, zur Leidenschaft gefunden zu haben, alles in einem Augenblick — der Kopf ware nicht hinreichend, das zu fassen; er wurde zerspringen oder sich verwirren. Hiebei mu? das Herz das Beste tun, wenn eine solche Uberraschung ertragen werden soll.

Ganz verloren eins ins andere, konnten sie erst nach einiger Zeit an die Angst, an die Sorgen der Zuruckgelassenen denken, und fast konnten sie selbst nicht ohne Angst, ohne Sorge daran denken, wie sie jenen wiederbegegnen wollten.»Sollen wir fliehen? sollen wir uns verbergen?«sagte der Jungling.»Wir wollen zusammenbleiben«, sagte sie, indem sie an seinem Hals hing.

Der Landmann, der von ihnen die Geschichte des gestrandeten Schiffs vernommen hatte, eilte, ohne weiter zu fragen, nach dem Ufer. Das Fahrzeug kam glucklich einhergeschwommen; es war mit vieler Muhe losgebracht worden. Man fuhr aufs ungewisse fort, in Hoffnung, die Verlornen wiederzufinden. Als daher der Landmann mit Rufen und Winken die Schiffenden aufmerksam machte, an eine Stelle lief, wo ein vorteilhafter Landungsplatz sich zeigte, und mit Winken und Rufen nicht aufhorte, wandte sich das Schiff nach dem Ufer, und welch ein Schauspiel ward es, da sie landeten! Die Eltern der beiden Verlobten drangten sich zuerst ans Ufer; den liebenden Brautigam hatte fast die Besinnung verlassen. Kaum hatten sie vernommen, da? die lieben Kinder gerettet seien, so traten diese in ihrer sonderbaren Verkleidung aus dem Busch hervor. Man erkannte sie nicht eher, als bis sie ganz herangetreten waren.»Wen seh ich?«riefen die Mutter.»Was seh ich?«riefen die Vater. Die Geretteten warfen sich vor ihnen nieder.»Eure Kinder!«riefen sie aus,»ein Paar.«—»Verzeiht!«rief das Madchen.»Gebt uns Euren Segen!«rief der Jungling.»Gebt uns Euren Segen!«riefen beide, da alle Welt staunend verstummte.»Euren Segen!«ertonte es zum drittenmal, und wer hatte den versagen konnen!

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