Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander - Страница 52
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Allday trat ein und ging quer durch die Kajute.»Die Bestrafung ist voruber, Sir Richard.»
Bolitho horte ihn kaum, er dachte an Vincent. Und an die abweisende Art, wie seine Mutter Catherine behandelt hatte.
«Wei?t du, alter Freund«, sagte er wie zu sich selber,»wer helfen will, tut manchmal das Falsche.»
«Zugleich!«Allday beugte sich an der Pinne vor, als ritte er uber holperige Stra?en, statt die Barkasse der Black Prince zu steuern. Trotz seiner gro?en Erfahrung machte ihm dieses Ubersetzen von einem Flaggschiff zum anderen zu schaffen. Er hielt sich zuruck, um in Gegenwart seines Admirals nicht laut zu fluchen, aber spater wurde er es dafur um so mehr tun. Die untrainierten Rudergasten furchteten zu Recht Alldays Ungeduld mehr als den hohen Gast im Heck. Bolitho sah zum ersten Mal sein Flaggschiff vom Wasser aus. Im Februarlicht glanzte der machtige Dreidecker wie poliertes Glas. Sein schwarz-beiger Rumpf mit den wei?en Kanonenpforten war der einzige Farbfleck auf der grauen Nordsee. Weit achteraus drehte die Zest auf ihren Platz im Geschwader ein.
Das Schiff lag gut im Trimm. Keen hatte sich rundum rudern lassen, ehe es das erste Mal auf See ging und noch einmal danach. Er hatte Ballast und Vorrate umstauen lassen, bis der Bug hoher aus dem Wasser kam. Unter dem Bugspriet drohte mit gezogenem
Schwert die Galionsfigur, der Schwarze Prinz, Sohn Konig Edwards III., in seinem Kettenhemd, geschmuckt mit Lilie und englischem Lowen. Unter dem schwarzen, gekronten Helm starrte er wie lebensecht nach vorn. Der Holzschnitzer war einer der besten Englands gewesen, der hochbetagte Aaron Mallow aus Sheerness.
Vor ihnen lag jetzt die Benbow, Herricks Flaggschiff. Sie fuhrte vierundsiebzig Kanonen wie die Hyperion, war jedoch schwerer, denn sie war gebaut worden, als England noch Eichen fur seine holzernen Mauern in Fulle besa?. Jetzt waren die Walder in Kent und Sussex, in Hampshire und im Westen abgeholzt, denn der Krieg, ewig hungrig, fra? nicht nur die Manner, sondern auch die Baume.
Von druben leuchtete ihnen das Rot der angetretenen Seesoldaten entgegen, Metall blitzte auf. Bolitho mu?te wieder an den Toppgast denken, der ausgepeitscht worden war.
Keen hatte ihm berichtet: Mit nacktem Oberkorper war er an die Grating gefesselt worden und hatte ohne Schmerzensschrei die zwolf Hiebe ausgehalten — nur die Luft hatte ihm die Peitsche aus den Lungen gepre?t. Aber als man ihn losband, hatte eine Stimme aus der stummen Menge geschrien:»Das zahlen wir denen heim, Jim!«Naturlich konnte weder der Waffenmeister noch der Profos den Rufer finden. Seither war der bis dahin unbekannte Matrose Jim Fittock an Bord so etwas wie ein Martyrer geworden — wegen Felicitys Sohn Miles Vincent. Das durfte sich auf keinen Fall wiederholen.
Dann ragte der Rumpf der Benbow uber ihnen auf, und Allday wurde noch zorniger, weil der Buggast einige Male vergeblich an den Gro?rusten einzuhaken versuchte. Schlie?lich kletterte Bolitho die salzverkrustete Treppe empor. Bei diesem truben Licht hatte er stolpern konnen, ohne da? jemand wegen seines Auges Verdacht schopfte. Der Wirbel der Trommeln, das Schrillen der Pfeifen und die gebrullten Kommandos zu seinem Empfang schmerzten ihn fast. Aber in diesen wenigen Minuten erkannte er vertraute Gesichter an Bord wieder, die vorschriftsma?ig geradeaus starrten, unter ihnen Hector Gossage, Herricks Flaggkapitan. Er stand wie ein Fels vor den anderen Offizieren. Ein neuer Mann hatte De Broux ersetzt, den Flaggleutnant mit dem» verdammten franzosischen Namen«, wie Herrick immer gesagt hatte. Der Neue war plump und schien weder besonders intelligent noch besonders interessiert zu sein. Und dann sah er Herrick — und erschrak zutiefst.
Sein Haar, fruher braun und noch kurzlich nur mit wenigen grauen Faden durchzogen, hatte alle Farbe verloren. Tiefe Falten entstellten das vertraute Gesicht. Sie hatten einander doch erst vor kurzem in der Admiralitat getroffen. Konnte ein Mann in kurzer Zeit so altern?
«Willkommen an Bord, Sir Richard!«Herricks Handedruck war so fest wie immer.»Sie erinnern sich sicher an Kapitan Gossage?»
Bolitho nickte, lie? aber Herricks Hand nicht los.»Ich fuhle mit dir, Thomas.»
Herrick zuckte mit den Schultern, wollte seine Gefuhle verbergen.»Lassen Sie wegtreten, Kapitan Gossage«, befahl er.»Bleiben Sie in der Nahe der Black Prince und informieren Sie mich, falls sich das Wetter verschlechtert. «Er fuhrte Bolitho nach achtern, und dieser fragte sich dabei, ob Herrick schon immer so gebuckt gegangen war.
In der Tageskajute, wo er so oft auf und ab geschritten war, sah sich Bolitho um. Gab es noch Spuren von ihm? Nein, keine. Diese Kajute hatte genausogut auf jedem anderen Linienschiff sein konnen.
Ein Diener, an den er sich nicht erinnerte, brachte Brandy. Herrick sah Bolitho an.»Ich bin froh, da? du mich hier ablost, damit die Benbow endlich daheim ins Dock kann. Wir haben im letzten Sturm fast das Ruder verloren. Damals warst du wohl noch an Land. Die See ri? einen Mastergehilfen und zwei Matrosen uber Bord — wir hatten gar keine Chance, sie aufzufischen.»
Bolitho unterbrach ihn nicht. Herrick mu?te sich immer erst freireden, ehe er zur Sache kam, das war er gewohnt. Aber Brandy um diese Stunde, das war neu. Ingwerbier oder Wein — das kannte er bei Herrick. Vielleicht hatte er mit dem Trinken begonnen, nachdem Dulcie gestorben war.
«Ich habe deinen Beileidsbrief bekommen, er tat mir gut. «Harsch fuhr er den Diener an:»Lassen Sie die Flasche hier, Mann! Ich komme schon alleine klar. «Der alte Herrick hatte so nie gesprochen; nicht umsonst war er immer der beliebteste Offizier bei den Besatzungen gewesen. Seine Hand zitterte leicht, als er die Glaser nachfullte und ein paar Spritzer Brandy auf den Teppich verschuttete. Er schien es nicht zu bemerken.
«Guter Stoff. Stammt von einem Schmuggler. «Nur die Augen waren so klar und blau, wie Bolitho sie kannte. Ihm war, als schaue ihn ein Bekannter aus einem fremden Korper an.
«Verdammt noch mal, ich war nicht bei ihr, als sie mich am notigsten brauchte!«brach es aus Herrick heraus.»Ich hatte ihr doch gesagt, sie solle sich nicht um die Gefangenen kummern! Jetzt mochte ich sie am liebsten alle aufhangen. «Er trat an die Wand, an der sein Degen hing und mit dem Schwanken des Schiffes am Holz scheuerte. Doch er ubersah die Waffe und beruhrte fast zartlich das Teleskop daneben in seiner Halterung, das Dulcie ihm einst in London geschenkt hatte.»Aber ich ware auf jeden Fall zu spat gekommen.»
Herrick leerte sein Glas in einem Zug.»Lady Bolitho hat mir von den verdammten Spaniern erzahlt, die uberall in Haus und Garten arbeiteten. Sie hatte sie auf den Hulks lassen sollen!«Er sah Bolitho an und fragte plotzlich:»War bei der Beerdigung alles so, wie es sein sollte?»
«Ja. Deine Schwester war da und viele von Dulcies Freunden.»
«Und ich konnte nicht kommen! Sie starb allein.»
Der Satz hing in der Luft, bis Bolitho sagte:»Dulcie war nicht allein. Catherine war bei ihr und hat sie gepflegt, bis der Tod sie erlost hat. Das war mutig von ihr, denn Typhus ist sehr ansteckend.»
Herrick trat an den Tisch und griff zur Brandyflasche.»Nur Catherine?»
«Ja. Sie lie? nicht einmal die Haushalterin ins Zimmer.»
Herrick rieb sich die Augen, als schmerzten sie ihn.»Du denkst jetzt bestimmt, da? sich Catherine dafur meine Anerkennung verdient hat.»
Bolitho zugelte seinen Zorn.»Ich bin nicht hergekommen, um aus deinem Schmerz Gewinn zu schlagen, Thomas. Ich wei? noch sehr genau, wie du mir damals die schreckliche Nachricht uber Cheneys Tod brachtest. Ich fuhle mit dir, Thomas, denn ich wei?, was es hei?t, einen geliebten Menschen zu verlieren.»
Herrick lie? sich schwer in seinen Stuhl fallen und fullte sich schon wieder das Glas.»Aber du hast jetzt Catherine — und ich habe alles verloren. Dulcie gab mir die Kraft zum Vorwartskommen. Es war ein langer Weg vom armen Kadetten zum Konteradmiral. «Als Bolitho schwieg, beugte er sich uber den Tisch und sprach lauter.»Aber du hast das ja nie verstanden! Dein Neffe auch nicht, niemand. Ihr Bolithos denkt immer nur an euch!»
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