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Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander - Страница 8


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Bolitho schaute auf seine makellosen Strumpfe hinunter und dachte an die Zeit, als er noch ein kleiner Leutnant mit nur einem feinen Paar Strumpfe fur derartige Anlasse gewesen war. Die anderen waren uber und uber gestopft, ein Wunder, da? sie uberhaupt noch zusammengehalten hatten. Dann fiel ihm wieder ein, da? Kapitan Haven ersucht hatte, an Bord bleiben zu durfen. Haven hatte dies damit begrundet, ein Sturm konne ausbrechen und seine rechtzeitige Ruckkehr an Bord verhindern. Die Luft war wirklich schwer und feucht und die Sonne blutrot untergegangen.

Der Segelmeister der Hyperion, Isaac Penhaligon aus Cornwall, bestand allerdings darauf, da? ein Sturm sehr unwahrscheinlich ware. Vielleicht zog Haven es vor, sich abseits zu halten, auch wenn ihm jemand auf dem Empfang seine Abwesenheit verubeln sollte.

Wenn nur Keen sein Flaggkapitan gewesen ware! Bolitho hatte ihn nur zu fragen brauchen, und Keen ware mit ihm gekommen, aus Treue, Freundschaft, Zuneigung. Aber Bolitho hatte Keen genotigt, in England zu bleiben, bis dieser seine Probleme mit der reizenden Zenoria gelost hatte. Mehr als alles andere hatte Keen sich namlich gewunscht, das dunkelaugige Madchen mit dem vollen kastanienbraunen Haar zu heiraten. Sie waren so sehr ineinander verliebt, da? Bolitho es nicht uber sich brachte, die beiden wieder zu trennen, kaum da? sie sich gefunden hatten.

Verglich er ihre Liebe mit seiner eigenen Ehe? Da horte er lieber auf, sich Gedanken zu machen. Es war jetzt nicht die rechte Zeit dazu. Vielleicht wurde es das niemals mehr sein.

Jenour fragte hoflich:»Sollen wir gehen, Sir Richard?»

Bolitho betastete sein linkes Auge, hielt dann aber inne und starrte statt dessen auf das nachste Sturmglas und seinen zarten Rauchfaden, der kerzengerade zur Decke stieg. Alles war hell und klar. Keine Trubung, keine Schatten, die ihn manchmal so plotzlich behinderten.

Zwei Lakaien, die sich bisher zuruckgehalten hatten, rissen die hohen Turflugel auf. Musik und Stimmengewirr brandeten in den Raum. Bolitho spannte seine Muskeln, als galte es, einer Musketenkugel zu widerstehen. Den von Pfeilern flankierten Korridor hinuntergehend, ratselte er uber Sinn und Zweck dieses stattlichen Gebaudes auf einer so kleinen Insel. Aber es war eben ein Platz, der durch den Krieg schon ofter ein wichtiger Angelpunkt in Englands Strategie geworden war.

Er horte Jenours Sohlen uber die Dielen tappen und lachelte halb uber des Leutnants Eifer, mit ihm Kopf an Kopf zu reiten. Sie hatten mehr wie Landjunker ausgesehen als wie Offiziere des Konigs.

Dann sah er die reichen Farben der Damengewander, die nackten Schultern und neugierigen Blicke, die ihn empfingen. Sie hatten kaum Zeit seit seiner Ankunft gehabt, wie schon Kommodore Glassport erklarte, aber wahrscheinlich war jeder offizielle Besucher oder ein Schiff aus England hier willkommener Anla? zum Feiern. Er bemerkte einige Offiziere von der Hyperion. Ihr Blau und Wei? bot einen deutlichen Kontrast zum Rot und Scharlach der Armee und der Seesoldaten.

Wieder einmal mu?te er sich beherrschen, um nicht nach vertrauten Gesichtern zu suchen oder nach Stimmen; es durfte nicht so aussehen, als ob er einen Handschlag erwarte oder ein Zeichen des Wiedererkennens.

Zwischen zwei Pfeilern, einige Stufen erhoht, stand Glassport und blickte ihn an, zweifellos erleichtert, da? Bolitho nach seinem Ritt doch noch gekommen war. Im Mittelpunkt, elegant und unbeschwert, stand eine von Kopf bis Fu? in Wei? gekleidete Gestalt. Bolitho wu?te wenig uber den Mann, den zu treffen er gekommen war. Der Sehr Ehrenwerte Viscount Somervell, Seiner Majestat Generalinspekteur in der Karibik, schien nicht viel an sich zu haben, das ihn fur diesen Posten empfahl. Er war ein bekanntes Gesicht bei Hofe und auf den richtigen Empfangen, ein rucksichtsloser Spieler, wie einige meinten, und ein Fechter von Ruf. Letzterer war wohlbegrundet. Man wu?te, da? der Konig sich seinetwegen eingeschaltet hatte, als Somervell einen Mann im Duell totete. Fur Bolitho war das ein vertrautes und zugleich schmerzliches Milieu, fur das er nicht bestimmt war.

Ein Lakai klopfte mit seinem langen Stab auf die Dielen und verkundete:»Sir Richard Bolitho, Vizeadmiral der Roten Flotte!»

Die plotzliche Stille war fast korperlich spurbar. Bolitho sah aller Augen auf sich gerichtet, als er uber den Teppich ging. Die Musiker mit ihren Instrumenten standen stockstill, ein junger Marineoffizier, der seinen Partner knuffte, erstarrte, als ihn Bolithos Blick streifte. Dann der kuhne Blick einer Lady in so tief ausgeschnittener Robe, da? sie sich uberhaupt nicht hatte anzuziehen brauchen, und der eines jungen Madchens, welches scheu lachelte und dann das Gesicht hinter einem Facher verbarg.

Der Viscount kam ihm zur Begru?ung nicht entgegen. Er stand wie zuvor, eine Hand nachlassig in die Hufte gestemmt, die andere an der Seite baumelnd. Sein Mund verzog sich zu einem Lacheln, das sowohl Belustigung als auch Langeweile bedeuten konnte. Seine Gesichtszuge waren die eines Jungeren, aber er besa? die tragen Augen eines Lebemannes, der schon alles gesehen hatte.

«Willkommen in…«Somervell stockte und drehte sich ungehalten um, als ein fahrbarer Kandelaber hinter ihm in den Saal gerollt wurde und ihn um seine elegante Pose brachte.

Der uberraschend grelle Lichtschein in Augenhohe kostete Bolitho die Balance, als er eben einen Fu? auf die erste Stufe setzen wollte. Eine Dame in Schwarz, die neben dem Viscount gestanden hatte, ergriff stutzend seinen Arm. Durch die vielen Kerzen lugten uberraschte und neugierige Gesichter wie auf einem Gemalde.

«Pardon, Ma'am!«Bolitho gewann sein Gleichgewicht wieder und versuchte gar nicht erst, sein Auge zu beschatten, als der Schleier daruber hinwegzog. Es war, als fiele er in tiefes Wasser, tiefer und tiefer.

«Es geht schon«, versicherte er. Die Robe der Dame war gar nicht schwarz, sondern von dunkelgrun schillernder Seide, die ihre Farbe in Falten und Kurven zu wechseln schien, was das blendende Licht erst jetzt enthullte. Der Rock war weit geschnitten, das Mieder mit dem tiefen Dekollete eng. Das Haar — soweit er sich entsann, war es lang und so dunkel wie sein eigenes gewesen. Jetzt trug sie es uber den Ohren zu Locken aufgeturmt.

Die neugierigen Gesichter, das wieder einsetzende Gemurmel, das mutwillige Geschwatz, alles schien vor seinen Augen zu verblassen. Er hatte sie einmal als Catherine Pareja gekannt, als Kate.

Er verga? seine momentane Behinderung, als er ihre Augen sah, in denen Besorgnis einer erzwungenen Ruhe wich. Sie hatte gewu?t, da? er kommen wurde. Die Uberraschung war nur auf seiner Seite.

Somervells Stimme schien von weither zu dringen. Auch er tat gelassen, hatte seine Haltung wiedergewonnen.»Naturlich, ich verga?. Sie beide kennen sich von fruher.»

Bolitho beugte sich uber ihre ausgestreckte Hand. Sogar ihr Parfum war noch das gleiche. Er horte sie erwidern:»Das ist lange her.»

Als Bolitho sich aufrichtete, wirkte Kate seltsam fern und selbstsicher, fast gleichgultig. Sie setzte hinzu:»Aber einen Helden vergi?t man nicht.»

Dann bot sie ihrem Gatten den Arm und wandte sich den ubrigen Gasten zu.

Bolitho war wie ins Herz getroffen. Sie trug die langen, goldenen Filigranohrringe, die er ihr in jener anderen unwirklichen Welt einmal gekauft hatte — in London.

Lakaien naherten sich mit Tabletts voll funkelnder Glaser. Das kleine Orchester erwachte wieder zum Leben. Doch uber die erhitzten, erregten Gesichter hinweg trafen sich ihre Blicke und schlossen alles andere aus.

Glassport sprach ihn an, aber er horte nicht hin. Trotz allem, was geschehen war, bestand das Band zwischen ihnen immer noch. Aber es mu?te zerrissen werden, bevor ihre Gefuhle sie beide zerstorten.

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