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Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander - Страница 20


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Keen konnte seinem Admiral fast die Gedanken vom Gesicht ablesen. In Kriegszeiten hatten sie so vieles gemeinsam erlebt und durchgestanden; und jetzt, angeblich mitten im Frieden, wurden sie mit einem Gegner konfrontiert, der ebenso ratselhaft wie furchterregend war.

Uber ihren Kopfen polterten Schritte, dann schrillten die Pfeifen und riefen die Wache an irgendeine neue Arbeit, beaufsichtigt vom scharfen Auge des Ersten Offiziers.

Bolitho entging Keens mitfuhlender Blick. Seine Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis, als sei sein Kopf ein Gefangnis. Sollte er hier in Boston warten oder nach San Felipe segeln? Es hing ganz allein von ihm ab, wie auch Duncans Tod auf seine Entscheidung zuruckging. Keen hatte mit dem uberlebenden Midshipman gesprochen, aber nur wenig aus ihm herausbekommen. Dann hatte Bolitho Allday gebeten, den jungen Evans auf seine eigene Art auszufragen, und diese Methode hatte verbluffende Resultate gebracht. Allday besa? eben die Gabe, sich beilaufig und wie nebenbei mit Leuten zu unterhalten, besonders mit halben Kindern wie Evans. Als Allday Bolitho schilderte, was er Evans entlockt hatte, glaubte Bolitho, selbst Zeuge dieses kurzen, morderischen Treffens gewesen zu sein, das mit Spar-rowhawks volliger Vernichtung geendet hatte.

Ein Wunder, da? der Junge nicht zusammengebrochen war, dachte Bolitho. Schlie?lich segelten sie nicht in den Krieg, mit dem Tod als allgegenwartigem Schatten. Es war Evans' erste Reise gewesen, zwar auf einem Kriegsschiff, aber in friedlicher Mission. Auch kam er nicht aus einer Familie von Seeleuten, sondern war der Sohn eines walisischen Schneiders.

Seinen besten Freund und Kameraden wie ein Tier abgeschlachtet zu sehen, dem verwundeten Duncan im Tode Beistand zu leisten, wahrend das todlich getroffene Schiff unter ihm versank, war mehr, als die meisten seiner Altersgenossen verkraftet hatten. Vielleicht wurde der Schock erst spater, moglicherweise nach Monaten, auftreten.

Allday berichtete, da? Evans eine Explosion zu horen glaubte, als sein Boot von der sinkenden Fregatte wegpullte. Sie hatten ja nicht einmal Zeit gehabt, das Kombusenfeuer zu loschen. Wahrscheinlich waren die Flammen auf das Pulvermagazin ubergesprungen. So kam das Ende fur die an Bord Verbliebenen wenigstens schnell, und die Schockwelle der Explosion hatte die Haie eine Weile von den Schwimmern ferngehalten.

Ein anderer Uberlebender, ein erfahrener Artillerist, hatte Allday berichtet, da? das Kanonenfeuer ihres Morders lauter und heller geklungen hatte, als zu erwarten gewesen war. Er glaubte, da? seine Batterie aus Kanonen bestand, die gro?kalibriger waren als ublich, wenn auch der Zahl nach reduziert.

Bolitho warf einen Blick auf den Achtzehnpfunder neben seinem Schreibtisch. Wahrscheinlich also Zweiunddrei?igpfunder. Aber warum?

Die Tur offnete sich langsam, und Yovell spahte zogernd herein. Bolitho sagte:»Die Depeschen sind fertig.»

Waren sie denn uberhaupt von Bedeutung? Er wu?te es besser, und Keen ebenso. Nur leere Worte. Aber die Fakten waren ebenso eindeutig wie grausam: Er hatte ein gutes Schiff mit fast der gesamten Besatzung verloren. Und Duncan, einen nahen Freund und tapferen Offizier. Was sollte aus seiner jungen Witwe werden?

Yovell stand immer noch im Turrahmen.

«Ein Postschiff wirft gerade Anker, Sir«, sagte er.»Es kommt aus England.»

Bolitho starrte ihn an und sah mit Schrecken die Furcht in Yovells rundem Gesicht.

Mein Gott, dachte er, der Mann hat ja Angst vor mir. Aber dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schock: Der Sekretar angstigte sich vor seiner Gereiztheit, weil das Postschiff moglicherweise keine Nachricht von Belinda mitbrachte.

Als Bolitho das begriffen hatte, fiel es ihm leichter, seine qualende Spannung zu meistern.»Danke, Yovell«, sagte er.»Nehmen Sie die Pinasse und schaffen Sie meine Depeschen auf die Electra. Auch alle Briefe der Besatzung. «Er sah den Sekretar noch zogern.»Und danach lassen Sie sich zum Postschiff rudern, ja? Vielleicht haben sie dort Briefe aus der Heimat fur uns«, schlo? er.

Bolitho setzte sich und sagte, als Yovell verschwunden war:»Wenn ich zu Ihnen allen ziemlich gereizt war, Val, mochte ich mich entschuldigen.»

Keen nutzte den gunstigen Augenblick.»Als Ihr Flaggkapitan, Sir«, sagte er,»steht es mir doch frei, aus gegebenem Anla? Vorschlage zu machen oder Warnungen auszusprechen?»

«Das stimmt. «Bolitho lachelte grimmig.»Thomas Herrick hat von diesem Recht ausgiebig Gebrauch gemacht, also sprechen Sie ganz offen.»

Keen hob die Schultern.»Sie werden von allen Seiten bedrangt, Sir. Die Franzosen weigern sich, mit Ihnen uber San Felipe zu reden, und sie mussen es auch nicht tun, da ja unsere beiden Regierungen uber die Zukunft der Insel bereits Vereinbarungen getroffen haben. Die Amerikaner wollen die Franzosen nicht vor ihrer Haustur haben, weil das ihre Strategie in einem zukunftigen Konflikt behindern konnte. Der Gouverneur von San Felipe bekampft die Ubergabe — also Sie — mit allen Mitteln, und ich nehme an, damit hat Admiral Sheaffe von Anfang an gerechnet. Weshalb sich also den Kopf zermartern? Wenn der Gouverneur nicht kapitulieren will, konnen wir ihn unter Arrest stellen oder sogar in Eisen legen. «Keens Ton wurde harter.»Zu viele Leute sind seinetwegen schon gestorben. Es ware besser, wenn wir selbst die Insel ubernahmen, als ihr Schicksal ihm zu uberlassen. Er strebt wahrscheinlich vollige Unabhangigkeit von der britischen Krone an und spielt zu diesem Zweck eine Partei gegen die andere aus — solange wir es ihm gestatten.»

Bolitho lachelte.»Das habe ich auch schon bedacht. Aber der Ve r-lust von Sparrowhawk und der unprovozierte Angriff auf uns passen nicht ins Bild. Wenn mich nicht alles tauscht, war das Schiff ein spanischer Werftbau, doch seine Allerkatholischste Majestat, der Konig von Spanien, hat keine Einwande gegen die Ubergabe von San Felipe erhoben. Also haben wir es entweder mit einem versuchten Staatsstreich zu tun oder mit Piraterie in gro?em Ma?stab. Zum Teufel, Val, nach diesem langen Krieg gibt es doch eine Menge Kapitane mit der notigen Erfahrung und auch Verzweiflung fur ein Spiel um so hohen Einsatz.»

Keen legte die Fingerspitzen gegeneinander.»Ich wei?, Sir, da? Sie sich jetzt gro?e Sorgen um Ihre Frau machen. «Er sah Arger in Bo-lithos grauen Augen aufblitzen und fuhr schnell fort:»Das lange Warten mu? die Holle fur Sie gewesen sein, besonders nach Ihren Erlebnissen in der Gefangenschaft.»

Ein Boot pullte unter dem Heck vorbei, und Bolitho trat an ein Fenster, um die Passagiere zu mustern. Aber es waren nur Neugierige und ein paar kleine Handler, die immer noch versuchten, mit den Matrosen an Bord das eine oder andere Geschaft zu machen.

Adam war nicht dabei.

Wieder erriet Keen seine Gedanken.»Er ist noch so jung, Sir. Vielleicht war es ein Mi?griff, ihn zum Flaggleutnant zu machen.»

Wutend fuhr Bolitho herum.»Hat Browne das gesagt?»

Keen schuttelte den Kopf.»Es ist meine personliche Meinung. Ihr Neffe ist ein prachtiger junger Mann und hat meine volle Sympathie. Sie haben von Anfang an die Hand uber ihn gehalten, haben ihn behandelt wie einen Sohn.»

Bolithos Widerstandskraft erlahmte.»War das denn so falsch?»

Traurig lachelte Keen.»Auf keinen Fall, Sir.»

Bolitho schritt an Keens Stuhl vorbei und legte seinem Flaggkapitan kurz die Hand auf die Schulter.»Aber Sie haben ganz recht. Ich wollte die Augen davor verschlie?en. «Er winkte ab, als Keen zu protestieren begann.»Ich habe Adams Mutter nie kennengelernt, niemand kannte sie. Immerhin hat sie ihn den ganzen Weg bis nach Falmouth geschickt, zu mir. Das war vielleicht das einzig Gute, was sie in ihrem Leben tat. Aber was mich betrifft, so haben Sie recht: Ich liebe Adam wie einen Sohn, doch er ist es nicht. Sein Vater war mein Bruder Hugh. Vielleicht hat er Hughs Charakter geerbt…»

Keen stand auf.»Lassen wir es dabei bewenden, Sir. Ihr Grubeln bringt Sie auch nicht weiter, es zermurbt Sie nur. Wir alle blicken zu Ihnen auf. Und ich glaube, uns steht Schlimmes bevor. Wahrscheinlich hat man uns nur deshalb hierher gesandt.»

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