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Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander - Страница 1


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Alexander Kent

Galeeren in der Ostsee

Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen

Fur Winifred in Liebe

Ein nebliger Morgen im fruhen April; gespenstisch gleiten die Schiffe voran. Da schlagt eine Glocke vier Glasen an. Auf einmal ist's rundherum totenstill, und auch der Kuhnste halt einen Augenblick den Atem an.

The Battle of the Ballic von Thomas Campbell

I Die Auserwahlten

Admiral Sir George Beauchamp streckte seine durren Hande dem prasselnden Kaminfeuer entgegen und rieb die Innenflachen langsam gegeneinander, um die Blutzirkulation zu beleben.

Seine kleine, etwas gebuckte Gestalt wirkte in dem schweren Uniformrock mit den gro?en goldenen Epauletten zerbrechlich, aber in seinem Wesen und dem Ausdruck seiner Augen war keine Schwache zu entdecken.

Die Fahrt von London nach Portsmouth im Herbstregen und auf tief ausgefahrenen Stra?en war lang und ermudend gewesen. Und die eine Nacht, die Beauchamp sich im George Inn am Portsmouth Point ausruhen wollte, war durch einen heftigen Sturm gestort worden, der selbst den Solent mit wei?en Wellenkopfen bedeckt hatte und alle Schiffe — mit Ausnahme der gro?ten — irgendwo unter Land Schutz suchen lie?.

Beauchamp wandte dem Feuer den Rucken zu und musterte seinen Privatraum, denselben, den er immer bezog, wenn er nach Portsmouth kam, wie viele bedeutende Admirale vor ihm. Der Sturm hatte nachgelassen, und die dicken Glasfenster glanzten wie Metall im warmen Sonnenlicht, eine Tauschung, denn auf der anderen Seite der soliden Wande war es kalt und nahezu schon winterlich.

Der kleine Admiral stie? einen tiefen Seufzer aus, was er sich nie erlaubt hatte, wenn jemand bei ihm gewesen ware. Es war Ende September des Jahres 1800 und England im siebten Kriegsjahr mit Frankreich und dessen Verbundeten.

Manchmal schon hatte Beauchamp seine Altersgenossen beneidet, die sich auf allen Weltmeeren mit ihren Flotten, Geschwadern, Flottillen herumtrieben. Aber bei einem Wetter wie diesem war er mehr als zufrieden mit seinem Posten in der Admiralitat, wo sein scharfer Verstand ihm viel Anerkennung als Planer und Stratege eingebracht hatte. Beauchamp hatte mehr als einen Flaggoffizier seines Postens enthoben und anderen, jungen Leuten, deren Fahigkeiten und Erfahrungen bisher ubersehen worden waren, sein Vertrauen geschenkt.

Sieben Jahre Krieg. Er wendete den Gedanken im Geiste noch einmal hin und her. Es hatte Siege und Niederlagen gegeben, tapfere Manner und Narren, Meutereien und Triumphe. Gute Schiffe hatte man nahezu verschrotten lassen, bis der Feind unmittelbar vor den Toren stand. Beauchamp hatte es alles miterlebt. Und er hatte neue Fuhrergestalten emporsteigen gesehen, die die Stelle der Versager und Tyrannen einnahmen: Collingwood und Troubridge, Hardy und Sau-marez, und Horatio Nelson naturlich, der Liebling des Volkes.

Beauchamp gedachte seiner mit einem dunnen Lacheln. Nelson — das war ein Mann, wie das Land ihn brauchte, die Personifikation des Sieges. Aber er konnte sich nicht vorstellen, da? der Held vom Nil es am Schreibtisch in der Admiralitat aushalten wurde, so wie er: bei endlosen Sitzungen, die Angste des Konigs und der Parlamentarier zerstreuend, die Zaghaften zu entschlossenem Handeln antreibend. Nein, entschied er, Nelson wurde keinen Monat in Whitehall durchhalten, nicht langer jedenfalls als er, Beauchamp, an Bord eines Flaggschiffs. Beauchamp war uber sechzig und sah auch so aus. Manchmal fuhlte er sich noch viel alter.

Es klopfte diskret an die Tur, und sein Sekretar schaute vorsichtig herein.»Sind Sie bereit, Sir George?»

«Ja. «Es klang wie >selbstverstandlich<.»Er soll heraufkommen.»

Beauchamp horte nie auf zu arbeiten, und von Zeit zu Zeit freute es ihn zu beobachten, wie seine Planungen Fruchte trugen, wie die von ihm zu Fuhrerschaft und Befehlsgewalt Auserwahlten sich entwickelten und seinen eigenen strengen Ma?staben gerecht wurden.

Wie sein Besucher zum Beispiel. Beauchamp sah zur polierten Tur hinuber, die das Sonnenlicht auf eine Karaffe mit Rotwein und zwei schon geschliffene Glaser zuruckwarf.

Richard Bolitho, manchmal halsstarrig, andererseits aber unorthodox, war einer von Beauchamps Erfolgen. Erst vor drei Jahren hatte er ihn zum Kommodore einer Handvoll Schiffe ernannt und ins Mittelmeer geschickt, um die Absichten der Franzosen auszukundschaften. Das Ergebnis war inzwischen schon Geschichte: Bolithos entschlossenes Handeln und das spatere Erscheinen von Nelson mit einer ganzen Flotte hatte zur» Battle of the Nile«{Seeschlacht von Abukir (Anm. d. Ubers.)} gefuhrt, bei der die franzosischen Geschwader und Napoleons Hoffnungen auf eine Eroberung Agyptens und Indiens zerstort worden waren.

Jetzt war Bolitho hier, als frisch beforderter Konteradmiral, ein Flaggoffizier mit gro?er Verantwortung, aber auch mit vielen Zweifeln belastet.

Der Sekretar offnete die Tur.

«Konteradmiral Richard Bolitho, Sir.»

Beauchamp streckte die Hand aus und lachelte. Dabei empfand er wieder die ubliche Mischung von Freude und Neid. Bolitho sah blendend aus in seinem neuen goldbestickten Rock, dachte er, doch der schnelle Aufstieg hatte den Menschen Bolitho nicht verandert. Das gleiche schwarze Haar mit der rebellischen Locke uber dem rechten Auge, der gerade Blick und gesammelte Gesichtsausdruck, der den Abenteurer verbarg und die Bescheidenheit des Mannes, die Beau-champ erkannt hatte.

Bolitho bemerkte den prufenden Blick und lachelte.

«Schon, Sie wiederzusehen, Sir.»

Beauchamp machte eine Geste zum Tisch hin.

«Schenken Sie uns bitte ein Glas ein. Ich bin etwas zu steif dazu.»

Bolitho beobachtete seine Hand, als er die Karaffe uber die Glaser hielt. Sie war ruhig und fest, obwohl sie angesichts der inneren Erregung, die er im Augenblick spurte, hatte zittern konnen. Als er sich vor kurzem im Spiegel betrachtet hatte, war es ihm geradezu unwahrscheinlich vorgekommen, da? er den gro?en und entscheidenden Schritt vom Stabs- zum Flaggoffizier getan hatte. Jetzt war er Konteradmiral, einer der jungsten, die es je gegeben hatte, aber abgesehen von der Uniform mit ihren glitzernden Schulterstucken und dem einen Stern darauf, fuhlte er sich nicht anders als bisher. Hatte nicht etwas Besonderes mit ihm geschehen mussen? Er hatte immer angenommen, da? schon der Aufstieg von der Offiziersmesse zur Kommandantenkajute einen Mann veranderte. Wieviel mehr noch der Schritt von dort bis zu dem Anrecht, seine eigene Flagge setzen zu konnen. Dazwischen lagen doch Welten!

Aber nur im Verhalten anderer hatte er eine Veranderung bemerkt. John Allday, sein Bootssteurer, horte gar nicht mehr auf, vor Freude zu strahlen. Und wenn er fruher bei Besuchen in der Admiralitat die Belustigung seiner Vorgesetzten gesehen hatte, sobald er seine Plane entwickelte, so horten sie jetzt aufmerksam zu, anstatt ihm — wie fruher — brusk uber den Mund zu fahren. Sie stimmten zwar nicht immer mit ihm uberein, aber sie lie?en ihn ausreden. Das war wirklich eine Veranderung.

Beauchamp schaute ihn uber das Glas hinweg an.»Nun, Bolitho, Sie haben erreicht, was Sie wollten, und ich auch. «Er warf einen fluchtigen Blick auf das nachstliegende Fenster, das sich durch die Warme im Raum beschlagen hatte.»Ein eigenes Geschwader. Vier Linienschiffe, zwei Fregatten und eine Korvette. Sie werden Ihre Befehle von Ihrem vorgesetzten Admiral bekommen, aber es wird Ihre Sache sein, wie Sie diese Befehle in die Tat umsetzen.»

Sie stie?en mit ihren Glasern an, jeder plotzlich in Gedanken versunken.

Fur Beauchamp war es ein neues Geschwader, eine Waffe, die sich in das Gesamtkonzept der Kriegsfuhrung einfugen lie?. Fur Bolitho bedeutete es unendlich viel mehr. Beauchamp hatte alles getan, um ihm zu helfen; selbst bei der Auswahl seiner Kommandanten. Mit einer Ausnahme kannte er sie alle, die meisten hatten schon mit ihm zusammen oder unter ihm gedient. Mit einigen war er seit Jahren befreundet.

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