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Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander - Страница 21


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Keverne wartete schon. Sein brunettes Gesicht war undurchdringlich, als er an den Hut fa?te und dienstlich meldete:»Zwei Minuten,

Sir.»

Bolitho musterte den Leutnant nachdenklich. Wenn Keverne uber den plotzlichen Verlust seiner Aussicht auf ein selbstandiges Kommando enttauscht war, so zeigte er es jedenfalls nicht. Und wenn er sich uber die Gefuhle seines Kommandanten Gedanken machte, so verbarg er das ebenfalls.

Bolitho nickte und schritt langsam zur Luvseite des Decks, wo die Leutnants des Schiffes bereits Aufstellung genommen hatten. Etwas weiter nach Lee zu standen die hoheren Deckoffiziere und die Mid-shipmen in sauber ausgerichteten Reihen, die mit den Schiffsbewegungen leise schwankten.

Ein rascher Blick nach achtern bestatigte ihm, da? Giffards MarineInfanteristen vor der Kampanje aufmarschiert waren. Ihre roten Rocke leuchteten grell in der Sonne, ebenso die wei?en, gekreuzten Schulterriemen und die blankgewichsten Stiefel.

Er wandte sich um, trat zur Achterdecksreling und lie? seine Augen uber die Masse der Matrosen gleiten, die sich auf den Decksgangen, bei den aufgeblockten Booten drangten, sich am Rigg festhielten, als wollten sie um keinen Preis das bevorstehende Drama versaumen. Aber die dumpfe Stille, die Atmosphare grimmiger Erwartung verrieten ihm, da? sie in diesem Falle, so abgebruht und so gewohnt an schnelle, harte Disziplinarstrafen sie auch sein mochten, kein Verstandnis fur das Urteil hatten.

Acht Glasen tonten vom Vorschiff, und er sah, wie die Offiziere Haltung annahmen: Broughton, von Leutnant Calvert begleitet, kam flotten Schrittes auf das Achterdeck. Wortlos fa?te Bolitho an den

Hut.

Die Luft uber dem Ankerplatz erzitterte von einem einzelnen, dumpfen Kanonenschu?. Dann folgte der trubselige Wirbel der Trommeln. Er sah, wie der Schiffsarzt unten an der Fallreepspforte mit Tebutt flusterte; der eine seiner beiden Maate trug den wohlbekannten roten Leinwandsack. Letzterer schlug die Augen nieder, als er sah, da? sein Kommandant ihn anblickte.

Broughtons Finger trommelten auf den Griff seines schongearbeiteten Degens, anscheinend im Takt mit dem fernen Trommelwirbel. Er sah so entspannt und frisch aus wie immer.

Bolitho versteifte sich, als er sah, da? sich einer der jungen Mid-shipmen mit der Hand uber den Mund fuhr, eine rasche nervose Bewegung, die unvermittelt eine Erinnerung wach werden lie?, wie den Schmerz einer alten Wunde.

Er selbst war erst vierzehn gewesen, als er zum erstenmal eine Auspeitschung durch die ganze Flotte hatte mitansehen mussen. Das meiste davon hatte er nur durch einen Nebel von Tranen und Ubelkeit wahrgenommen und war diesen Alpdruck nie ganz losgeworden. In einem Dienst, bei dem die Peitsche ein ganz gewohnliches, allgemein akzeptiertes Strafmittel war, in manchen Fallen sogar ein durchaus gerechtfertigtes, war diese schwerste Form auch die schlimmste fur die Zuschauer, die sich dabei fast ebenso erniedrigt vorkamen wie der Delinquent.

«Wir werden heute nachmittag Anker lichten, Bolitho«, bemerkte Broughton beilaufig.»Unser Ziel ist Gibralter, wo ich weitere Order und Nachricht uber die neuesten Entwicklungen erhalten werde. «Er sah zu seiner Flagge am Fockmast hoch und schlo?:»Ein prachtiger Tag dafur.»

Bolitho blickte zur Seite und versuchte, seine Ohren vor dem nicht endenwollenden Trommelwirbel zu verschlie?en.

«Alle Schiffe sind voll provisioniert, Sir. «Er hielt inne. Broughton wu?te das so gut wie er selbst. Es war nur, um etwas zu sagen. Warum machte dieses eine Geschehen alles zunichte? Er mu?te doch inzwischen begriffen haben, da? er nicht mehr der junge Fregattenkapitan von fruher war. Damals hatten die Menschen noch Gesichter gehabt und waren wirkliche Individuen gewesen. Wenn einer litt, dann spurte es das ganze uberfullte Schiff. Jetzt mu?te er sich damit abfinden, da? die Menschen keine Individuen mehr waren. Sie waren Notwendigkeiten wie die Artillerie und die Takelage, der Su?wasservorrat und die Planken, auf denen er stand.

Er merkte, da? Broughton ihn beobachtete, und drehte absichtlich den Kopf weg. Aber die Menschen waren ihm wichtig, sie dauerten ihn, und er wurde sich darin auch nicht andern, das wu?te er genau; nicht Broughtons wegen, nicht einmal seiner eigenen Beforderung in einem Dienst zuliebe, den er jetzt notiger brauchte denn je.

Um den Bug der Zeus, des nachstliegenden Vierundsiebzigers, kam eine langsame Prozession von Kuttern, einer von jedem Schiff des Geschwaders; ihre Riemen hoben und senkten sich im Takt mit dem Armesundermarsch der Trommeln. Das Boot der Euryalus war das zweite in der Reihe, dunkelgrun wie die anderen, die jetzt auf den Blocken festgelascht waren, von schweigenden Mannern umstanden. In jedem Boot der Prozession sa?en Marine-Infanteristen, deren todlich glitzernde Bajonette und scharlachrote Rocke etwas Farbe in die grimme Linie der jetzt leicht abfallenden und Kurs auf das Flaggschiff nehmenden Boote brachten.

Leise sagte Broughton:»Es wird nicht allzu lange dauern, denke ich.»

«Riemen hoch!»

Der Kutter der Auriga glitt langsseit und machte an den Gro?rusten fest. Die anderen schwankten uber ihrem Spiegelbild im Wasser, stumme Zeugen des Strafvollzugs.

Keverne reichte Bolitho die Kriegsartikel, und dieser schritt rasch zur Fallreepspforte. Schiffsarzt Spargo und die beiden Bootsmannsmaaten waren bereits unten im Kutter, und der erstere blickte hoch, als Bolithos Schatten uber die wie erstarrt sitzenden Rudergasten fiel.»Delinquent straffahig, Sir«, meldete er.

Bolitho zwang sich dazu, auf die Gestalt im Kutter hinunterzuschauen. Weit vorgebeugt, die Arme an einer Gangspillspake festgelascht wie ein Gekreuzigter — man konnte kaum glauben, da? es Taylor war. Der Mann, der zu ihm gekommen war. Um Hilfe. Um Vergebung und… Er nahm den Hut ab, schlug das Buch auf und verlas den Abschnitt der Kriegsartikel uber Meuterei und ihre Bestrafung.

Unten im Boot bewegte sich Taylor etwas; Bolitho hielt inne und schaute nochmals hinunter. Auf den Spanten und Planken des Bootes stand Blut. Schwarzes Blut, nicht das Blut der Schlacht. Schwarz wie die Hautfetzen, die von Taylors zerhauenem Rucken hingen. Schwarz und aufgerissen, so da? die freiliegenden Knochen in der Sonne wie Marmor glanzten.

Der Bootsmaat blickte hoch und fragte gepre?t:»Zwei Dutzend,

Sir?»

«Tut Eure Pflicht.»

Bolitho setzte den Hut wieder auf und sah starr auf den nachstliegenden Zweidecker. Der Maat holte aus und schlug mit furchtbarer Kraft zu,

Bolitho horte Schritte neben sich, und dann Broughtons gelassene Stimme:»Er scheint es ja ganz gut auszuhalten. «Ohne Anteilnahme, ohne echtes Interesse, nur eine beilaufige Bemerkung.

Ebenso unvermittelt wie es begonnen hatte, war es vorbei, und als das Boot ablegte und weiter zum nachsten Schiff fuhr, sah Bolitho, wie Taylor versuchte, den Kopf zu heben und zu ihm hinaufzublicken. Aber er schaffte es schon nicht mehr.

Bolitho wandte sich weg; ihm wurde ubel beim Anblick des verzerrten Gesichts, der zerbissenen Lippen, dieses Stuckes Fleisch, das einmal John Taylor gewesen war.

«Lassen Sie die Leute wegtreten, Mr. Keverne«, sagte er rauh. Unwillkurlich sah er der sich neu formierenden Prozession nach. Zwei Schiffe noch. Taylor wurde es bestimmt nicht uberleben. Ein jungerer Mann vielleicht. Aber Taylor nicht.

Wiederum, ganz dicht an seinem Ohr, horte er Broughtons Stimme:»Wenn er nicht fruher unter Ihnen gedient hatte — auf der Sparrow, nicht wahr? — , dann wurden Sie es nicht so personlich nehmen und waren nicht so — ah — empfindlich.»

Da Bolitho nicht antwortete, fuhr er fort:»Ein Exempel mu?te statuiert werden. Die Leute werden es nicht vergessen.»

Bolitho richtete sich auf und sah Sir Lucius voll ins Gesicht. Mit fester Stimme entgegnete er:»Und ich auch nicht, Sir.»

Sekundenlang sahen sie einander in die Augen, dann lie? Broughton das Visier wieder fallen.»Ich gehe wieder nach unten. Setzen Sie zu gegebener Zeit das Signal an alle Kommandanten.»

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