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Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander - Страница 60


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Bolitho beobachtete die schwarzen Silhouetten der Toppmatrosen, wie sie geschickt in die schwirrende Takelage aufenterten. Manchmal druckte der Wind sie so fest gegen die Wanten, da? sie einen Moment reglos hangenblieben, ehe sie weiter zu den Topprahen aufentern konnten.

«Die Barka? ist uber Bord gewaschen, Sir!«schrie Mudge. Aber niemand reagierte darauf, und Herrick spuckte erst einen Mundvoll Spritzwasser aus, ehe er sagte:»Das Vormarssegel wird eben eingeholt, Sir. Die Jungen arbeiten gro?artig.»

Da sauste etwas gegen die straffen Leinen und schlug mit dumpfem todlichem Krach auf die Planken des Geschutzdecks.

«Mann von oben!«brullte Herrick.»Bringt ihn zum Arzt!»

Bolitho bi? sich auf die Lippe. Sehr unwahrscheinlich, da? der Mann einen solchen Sturz uberlebt hatte. Meter um Meter kampfte sich die Undine in den Wind; vom Achterdeck bis zum Bug schlugen die Wogen uber das Deck. Die Manner klammerten sich an die festgezurrten Geschutze oder an die Deckstutzen, um nicht vom Sog der zuruckflutenden Seen uber Bord gewaschen zu werden.

«Jetzt konnen wir ihn abreiten!«rief Mudge heiser. Bolitho nickte. Der Kopf wirbelte ihm von der brutalen Heftigkeit des aufprallenden Sturmes.»Wir setzen das Besansegel, wenn das Gro?marssegel wegfliegt! Der Bootsmann soll seine Leute bereit halten — wenn es soweit ist, mu? es verdammt fix gehen!»

Eine Vorleine schlang sich um seine Taille, und er blickte in Alldays grinsendes Gesicht.»Sie kummern sich um uns, Captain — ich kummere mich um Sie!«Bolitho nickte; er hatte kaum noch Atem. Dann hielt er sich an den klitschnassen Finknetzen und spahte durch das nadelscharfe Spruhwasser uber sein Schiff. Ein gluckhaftes Schiff? Vielleicht hatte er das zu fruh gesagt und damit das Schicksal herausgefordert.

«Kurz vor Sonnenaufgang konnte es vorbei sein«, keuchte Herrick.

Aber als die Morgendammerung tatsachlich kam und Bolitho die zornigen, kupferroten Wolken uber die endlosen, zerfetzten, schaumbedeckten Wogenkamme fliegen sah, da wu?te er, da? der Sturm den Kampf nicht so leicht aufgeben wurde. Hoch uberm Deck flatterten zerrissene Leinen wie verdorrte Schlingpflanzen im Wind, und das einsame Marssegel stand so voll, da? es ebenfalls jeden Moment rei?en konnte.

Er blickte auf Herrick, dessen Nacken und Hande wund waren von Salzwasser und Wind. Die anderen sahen nicht besser aus — zerknittert, kaputt, mude. Er mu?te an die Argus denken; vielleicht lag sie sicher im geschutzten Hafen. Die blanke Wut kam ihm hoch.

«Schicken Sie ein paar Mann nach oben, Mr. Herrick. Da ist allerhand zu tun!«Aber Herrick zog sich eben Hand uber Hand an den Netzen zur Reling. Bolitho wischte sich Mund und Gesicht mit dem Armel ab. Wenn die Mannschaft diesen Sturm abwettern konnte, dachte er, dann war sie allem gewachsen.

XIII Kein Pardon

«Noch etwas Kaffee, Sir?«Noddall hielt die Kanne uber Bolithos Becher, ohne auf Antwort zu warten.

Bolitho trank langsam; die hei?e Flussigkeit durchrann ihn angenehm. Ein bi?chen schmeckte sie auch nach Rum. Noddall tat wirklich sein Bestes.

Er lie? die Schultern sinken und zuckte zusammen. Jeder Knochen und Muskel tat ihm weh. Tatsachlich wie nach einem richtigen Gefecht. Oben an Deck stieg von den nassen Planken, aus den durchweichten Kleidungsstucken der muden Manner dichter Dampf auf. Seltsam geisterhaft sahen sie aus. Aber es war auch ein richtiges Gefecht ge wesen, uberlegte er, obwohl kein Kanonenschu? gefallen war. Drei Tage und drei Nachte lang hatten sie gekampft. Ihre schon engbegrenzte Welt wurde noch bedrangter durch die wei?beschaumten, aus endloser Weite donnernd anrollenden Wogen; ihre Sinne wurden stumpf im standigen Geheul des Windes. Wie Bolitho selbst kaum noch Atem hatte, schien auch dem Schiff der Atem ausgegangen zu sein. Jetzt stand es unter fast schlaffen Besansegeln beinahe ohne Fahrt uber seinem Spiegelbild. Dampfend unter dem wieder wolkenlosen Himmel, lag das Deck voller Fetzen, Enden, Spane, Splitter. An vielen Stellen war die Farbe abgeblattert, und das Holz trat nackt zutage, als waren die Zimmerleute eben erst fertiggeworden. Uberall arbeiteten Matrosen mit Marlspiekern und Segelnadeln, Hammern und Taljen, bemuht, ihr Schiff wieder in Ordnung zu bringen, das sie so treulich durch dieses Chaos getragen hatte. Selbst Mudge hatte erklart, das sei so ziemlich der schlimmste Sturm gewesen, den er erlebt habe.

Eben kam der Alte uber das Deck; auch aus seinem Mantel stieg Dampf auf, Wangen und Kinn verschwanden fast unter einem Wald von wei?en Stoppeln.»Nach meiner Schatzung sind wir ein ganzes Stuck uber die Benua-Gruppe hinaus. Wenn wir das Mittagsbesteck aufgenommen haben, wird mir wohler sein. «Er blinzelte zu dem schlaff hangenden Wimpel hinauf, der im Sturm fast die Halfte seiner Lange eingebu?t hatte.»Aber der Wind ist ausgeschossen, ganz wie ich mir das gedacht habe. Ich schlage vor, wir halten Ihren neuen Kurs, Nordnordwest, bis wir unsere Position einigerma?en festgestellt haben. «Er schnaubte sich heftig die Nase.»Und ich erlaube mir zu sagen, Sir, da? Ihre Schiffsfuhrung erstklassig war. «Er blies die Backen auf.»Ein paarmal dachte ich tatsachlich, wir waren verloren.»

Bolitho blickte zur Seite.»Danke sehr. «Er dachte an die zwei Manner, die weniger Gluck gehabt hatten. Der eine war in der zweiten Nacht uber Bord gegangen. Weggewaschen, ohne da? jemand ihn gesehen oder gehort hatte. Der andere war vom Backbordbalken abgerutscht, als er eine durchgeriebene Zurring am Ankerstock auswechselte. Eine unvermutete einzelne Woge hatte ihn fast beilaufig von seinem Sitz gefegt, und Bolitho hatte noch eine Zeitlang gedacht, er wurde gerettet werden. Eifrige Hande hatten nach ihm gegriffen, aber eine zweite Welle hatte ihn erfa?t und ihn nicht etwa weggeschwemmt, sondern hoch in die Luft geworfen wie einen Hampelmann, und ihn dann mit wilder Wut gegen den schweren eisernen Anker geschleudert. Bootsmannsmaat Roskilly schwor, er habe die Rippen des Mannes krachen und splittern gehort, ehe er schreiend in dem schaumend am Schiffsrumpf entlangwirbelnden Wasser verschwand. Und dann noch der Mann, der vom Mast gefallen war. Somit hatte der Sturm drei Tote gekostet, und dazu sieben Verletzte. Knochenbruche, von der sto?enden, bockenden, klatschnassen Leinwand aufgerissene Finger, Hautentzundungen durch Salz und Wind; Wunden an den Handflachen von den Leinen, die durch die umklammernden Fauste gerutscht waren — so lauteten die Eintragungen im Krankenjournal des Schiffsarztes.

Herrick kam nach achtern und sagte:»Ich lasse gerade einen neuen Kluver anschlagen, Sir. Der andere ist nur noch als Flickzeug zu gebrauchen. «Noddall reichte ihm einen dampfenden Becher, und er trank genu?lich.»Der Himmel helfe dem armen Seemann!»

Bolitho blickte ihn von der Seite an.»Sie wollen ja gar keinen anderen Beruf!»

Herrick schnitt eine Grimasse.»Hier und da hatte ich schon mal meine Zweifel daruber.»

Davy, der die Wache hatte, trat zu ihnen an die Reling.»Ob wir wohl bald Land in Sicht kriegen, Sir?«fragte er.

Davy sah alter aus, weniger selbstgefallig als beim Dienstantritt auf der Undine. Im Sturm hatte er sich gut bewahrt; vielleicht dachte er immer noch, wirkliche Gefahr konne nur aus der Mundung einer Kanone kommen.

Bolitho uberlegte.»Das hangt davon ab, wie genau wir unsere Position fixieren konnen. Wenn wir die Abdrift berucksichtigen und die veranderte Windrichtung, konnten wir, glaube ich, vor Einbruch der Dunkelheit die Inseln in Sicht haben.»

Er lachelte, und das tat ihm so weh, da? ihm erst richtig klar wurde, wie anstrengend die letzten Tage gewesen waren.

Mi?mutig sagte Herrick:»Der verdammte Froschfresser wird uns schon auslachen. Sitzt gemutlich in seinem Hafen unter den Kanonen dieses verdammten Piraten!»

Bolitho blickte ihn nachdenklich an. Dieser Gedanke hatte ihn selbst wahrend der ganzen Zeit kaum losgelassen, obwohl er wei? Gott anderes genug im Kopfe hatte. Mit dem franzosischen Kapitan zu parlamentieren, war eine Sache, Eine ganz andere war, da? dieser Muljadis Flagge fuhr. Das zu akzeptieren, bedeutete das offene Eingestandnis einer Niederlage: die Anerkennung der faktischen Souveranitat Muljadis. Wenn Conway diese anerkannte, dann wurde jedes andere europaische Land, das Handels- und Schutzrechte in Indien besa?, und ganz besonders die machtige Niederlandische Ostindien-Companie, das als den Versuch Englands betrachten, alle Vorteile fur sich in Anspruch zu nehmen. Und das war genau, was Frankreich wollte.

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